Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
die Nacht hinein.
Taka nähte im flackernden Licht der Öllampe zwei Seidenquadrate zusammen, befestigte den Ärmel an einem ihrer Hochzeitskimonos und wischte sich die Hände an einem Stück Baumwollstoff ab, um den teuren Brokat nicht zu beschmutzen. Bei diesem Lärm konnte sie sich kaum konzentrieren. Zarte Nachtfalter flatterten um die Flammen. Die Luft war heiß und feucht. Alle Türen waren entfernt worden, um noch den kleinsten Lufthauch einzulassen.
Eine Stimme grummelte mit Satsuma-Akzent: »Diese Regierung. Jedes Mal ist es dasselbe. Schneidet eure Haare ab, sagen sie – wenn ihr wollt, heißt das. Dann, zwei Jahre später, müssen wir unsere Haarknoten abschneiden – per Gesetz.«
»Ach, hör auf, Yamakawa«, hielt einer dagegen. »Du stellst doch dein kurzes Haar ebenso stolz zur Schau wie wir anderen.«
Der Sprecher fuhr fort, seine Stimme triefend vor Ironie. »Schwerter braucht ihr nicht mehr – wenn ihr wollt. Dann sagt man uns zwei Jahre später, das Tragen von Schwertern sei gesetzlich verboten. Und was hören wir jetzt? Tauscht eure Stipendien gegen Staatsanleihen ein, wenn ihr wollt. Dann – du dachtest, du hättest Stipendien, aber du hast keine mehr. Nimm stattdessen ein paar Staatsanleihen, per Gesetz. Sie nehmen uns alles. Bei den Göttern, was nützen mir Staatsanleihen? Wovon soll ich ohne Stipendien leben?«
Das Klacken der Sakebecher wurde vom Gebrüll wütender Zustimmung und dem Donnern der Fäuste auf dem Boden fast übertönt.
Rufe wurden laut. »Dafür haben wir gekämpft? Dafür sind unsere Brüder gefallen? Für ein Land, in dem Samurai keine Schwerter mehr tragen oder sich als Samurai kleiden dürfen und sie uns das Geld verweigern? Wir haben nicht mal Arbeit, wir können nicht mal mehr Soldaten sein. Jetzt treiben sie Bauern zum Kämpfen zusammen, als hätten Bauern die leiseste Ahnung, was man mit einem Schwert macht. Allein der Gedanke daran …«
Taka spürte einen Stich und ließ den Stoff fallen, als sich ein roter Tropfen auf ihrer Fingerspitze bildete. Sie kannte diese Freunde von Eijiro. Er war zwar in Kyoto aufgewachsen, aber das hier waren trinkfeste, kampferprobte Jungs aus dem Süden, Satsuma durch und durch. Manche hatten niedere Regierungsposten, andere überhaupt keine Arbeit. Jetzt, in Friedenszeiten, stolzierten sie gern in Yoshiwara herum und spielten den Lebemann, aber es war offensichtlich, dass sie vor Ungeduld fieberten und nur auf die Chance warteten, wieder zu ihren Schwertern zu greifen.
»Sie wollen uns zu Weichlingen und Weibern machen!«, rief die erste Stimme. »Ich habe mein Leben nicht damit verbracht, als Schwertkämpfer zu Ehren zu kommen, um am Ende nur noch einen Schreibpinsel zu schwingen.«
»Du kannst von Glück sagen, dass du einen Schreibpinsel schwingst«, gab ein anderer zurück. »Die meisten von uns haben überhaupt keine Arbeit. Wenn wir keine Stipendien mehr bekommen, wovon sollen wir dann leben? Und unsere Eltern, was sollen die machen?«
Eijiros Stimme war laut und deutlich zu hören. »Was erwarten die von uns – sollen wir unsere Schwerter verkaufen und einen Laden eröffnen? Unsere Hände mit Geld beschmutzen wie dreckige Kaufleute?«
Fujino knallte ihre Näharbeit auf den Boden. »Was für ein Blödsinn«, sagte sie verächtlich. »Er hat genug Geld, seine kostbare Tsukasa loszukaufen, genug Geld, jeden Abend vor seinen Kumpanen zu protzen. Wie viel braucht er denn noch?«
Taka sah erstaunt auf. Für gewöhnlich wollte ihre Mutter kein einziges kritisches Wort über ihren geliebten Sohn hören.
»Sie rauben uns unsere Selbstachtung, alles, was einen Mann zu einem Mann macht, und lassen uns nichts. Nichts!«, polterte Eijiro. »Die Würde und Ehre der Samurai steht auf dem Spiel. Wir vergeuden unser Leben in dieser dreckigen Stadt. Lasst uns in unsere Berge zurückkehren, zu unseren Vulkanen, unseren Palmen, unserem guten Reiswein aus Kyushu! Seid ihr dabei, Jungs? Kommt ihr mit mir nach Kagoshima und schließt euch meinem Vater an?«
Die Männer trommelten mit Fäusten und Hacken auf den Boden, bis das Haus wackelte. »Zu den Waffen! Kagoshima! Auf geht’s!«, brüllten sie.
Fujinos Augen blitzten gefährlich. »Dieser Narr! Er ist noch nie dort gewesen! Wie kann er es wagen, euren Vater mit hineinzuziehen. Das sind alles nur große Töne. Sie werden nichts tun, keiner von ihnen. Genau wie er.«
Wieder hob sich Eijiros Stimme. »Okatsu, Gonza, Osan. Nutzlose Dienstboten, nie zur Stelle, wenn man sie braucht.
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