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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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hatte nicht stehen können, war auf Händen und unter Einsatz seines gesunden Beins über die Tatami gekrochen.
    Nobu erinnerte sich an die hektischen Diskussionen, die darauf gefolgt waren. Sie hatten alle Angst gehabt, Yasutaro würde gefangen genommen, wenn er im Haus blieb, und hatten beschlossen, ihn in einer Schlucht in den Bergen zu verstecken. Nobu und Jubei hatten ihn dorthin getragen, ein Bett aus Brettern für ihn gemacht und es mit einem Dach aus belaubten Ästen getarnt. Sie waren mit ihm dort geblieben. Jubei hatte Yasus Wunde täglich mit Wasser aus einer Bergquelle ausgewaschen und die Verbände gewechselt, und Nobu war nach Einbruch der Nacht losgeschlichen, hatte Essen aus dem Haus geholt und die schmutzigen Verbände vergraben.
    Yasutaro war lange krank gewesen. Schon vor der Verwundung ein schweigsamer Mensch, hatte er sich danach noch stärker in sich zurückgezogen. Nobu hatte ein feines Gespür dafür entwickelt, bei ihm auch die winzigsten Anzeichen von Freude oder Ärger wahrzunehmen.
    Yasu ließ sich vorsichtig auf die Knie nieder und stöhnte, als er sein schmerzendes Bein zurechtschob. Nobu goss ihm etwas Wasser ein.
    »Was gibt es Neues aus der großen Welt?«, wollte Kenjiro mit glänzenden Augen wissen.
    Yasu saß eine Weile schweigend da und starrte zu Boden. Als er aufschaute, lag ein leises Funkeln in seinen Augen. »Man sagt, die Regierung werde die Stipendien der Samurai abschaffen.«
    »Stipendien? Welche Stipendien?«, erwiderte Kenjiro hämisch. »Nachdem wir den Krieg verloren haben, gab es für uns keine Stipendien mehr. Aber die Kartoffelsamurai brauchen ihre Stipendien – ohne die sind sie in Schwierigkeiten. Erst haben sie ihre Schwerter verloren, und jetzt ihr Einkommen. Sie hätten bei ihren Süßkartoffeläckern bleiben sollen, statt hierherzukommen und sich wichtig zu machen mit ihren Hacken und Schaufeln. Endlich merken sie mal, wie es uns aus dem Norden geht – und das war auch höchste Zeit.«
    »Sie werden leicht Arbeit finden«, entgegnete Yasutaro bitter. »Wir bleiben trotzdem am untersten Ende.«
    »Na, wenigstens können wir den Niedergang unserer Feinde genießen.«
    »Die Sache wird ernst.« Yasus Ton blieb verhalten. »Im Süden bilden sich Milizen. Sie haben dort ihre eigenen Militärakademien, und sie exerzieren und führen Manöver durch. Man sagt, der Gouverneur von Kagoshima hätte sich geweigert, den neuen Regierungsauftrag auszuführen. Was ihn betrifft, wird es in Kagoshima oder in den anderen Gebieten der Satsuma keine Abschaffung der Stipendien geben. Es heißt sogar, Satsuma werde sich gegen die Regierung erheben und seine Unabhängigkeit erklären.«
    »Die halbe Regierung besteht aus Männern der Satsuma. Wenn sie sich gegen die Regierung erheben, dann erheben sie sich gegen sich selbst. Wie die chinesischen Weisen sagen: Der kluge Mann wartet, und seine Feinde reißen einander in Stücke wie die Kampfhunde aus Tosa.«
    Nobu wurde mulmig zumute. Ein ungebetener Gedanke nagte an ihm. Takas Vater. Jeder wusste, dass er eine führende Rolle in der Regierung gespielt und sich im Zorn vor einigen Jahren in seine heimatlichen Gefilde im Süden zurückgezogen hatte. Sein Name war in aller Munde – Kitaoka der Große. Er musste einer der Anführer der Rebellion sein.
    »Die Satsuma, sagst du?«, stammelte er. »Und Kitaoka …«
    »Das ist Politik«, unterbrach Kenjiro. »Du bist zu jung, um das zu verstehen.«
    Yasutaro sah Nobu aus großen, traurigen Augen an.
    »Niemand weiß, welches Spiel General Kitaoka spielt. Er wartet den rechten Moment ab. Man weiß nicht mal, wo er ist. Alle warten darauf, was er tun wird. Wenn er den Befehl gibt, wird sich der Süden erheben, wenn er es nicht tut, werden sie es vielleicht trotzdem tun. Oder auch nicht.«
    »Und wenn sie sich erheben …«
    »Wird man die Armee schicken, um den Aufstand niederzuwerfen, und wir werden alle zum Militär gehen. Wir werden es den Kartoffelsamurai heimzahlen.«

13
    »Unsere Stipendien beschneiden? Als Nächstes werden sie uns noch die Eier abschneiden!«
    Eijiros Gebrüll ließ die Schiebetüren erzittern, hallte durch die leeren Räume bis zu dem fernen Flügel des Hauses, in dem Taka neben ihrer Mutter saß und nähte. Selbst von der anderen Seite des Hauses war zu hören, dass er lallte. Sein Benehmen ließ sie zusammenzucken. Er trank wieder mit seinen Kumpanen. In letzter Zeit waren die Trinkgelage länger und lärmender geworden, und mittlerweile gingen sie bis weit in

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