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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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zwei blitzende Augen. Ein Japsen entfuhr ihr, als sie den Eindringling erkannte: Nobu. Er machte ein finsteres Gesicht und legte den Finger an die Lippen.
    Hinter ihr hallten Trinklieder durch die Stille. Dann verstummte der Lärm abrupt, und Taka hörte die scharfe, ärgerliche Stimme ihrer Mutter.
    Nobu trat auf die Veranda, seine Gesichtszüge wie gemeißelt im Lampenlicht. Er keuchte. In seinem Haar hatten sich Blätter und Zweige verfangen, und seine Wangen waren schmutzverschmiert, doch es war sein Gesichtsausdruck, der ihr Angst machte. Er wirkte gehetzt, beinahe fanatisch. Mit wilden Blicken schaute er sich um, und Taka wurde mit Entsetzen klar, dass ihr Bruder ihm mit Sicherheit den Kopf abschlagen würde, wenn er ihn hier entdeckte.
    Bestürzt starrte sie ihn an.
    Fünf Tage waren vergangen, seit sie über das Gelände des Sengaku-Tempels gegangen waren. Sie hatte die Stunden und Tage gezählt, hatte in Gedanken seine Worte wiederholt. Ich werde eine Möglichkeit finden, dich wiederzusehen , hatte er gesagt. Das verspreche ich. Okatsu hatte ihr mit strenger Stimme vorgehalten, dass es ihm nicht möglich sein würde, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, aber sie hatte nicht hören wollen. »Er hat es versprochen«, hatte sie immer wieder gesagt.
    Doch als das Schweigen anhielt, war sie schließlich verzweifelt und hatte sich eingeredet, nie wieder von ihm hören zu wollen. Sie tadelte sich selbst. Sie war zu dreist gewesen. Wie hatte sie seine Hand nehmen und ihm einfach erzählen können, was ihr in den Sinn kam? Sie hatte sich mitreißen lassen, doch jetzt war sie zur Vernunft gekommen. Er war ein Dienstbote, sie die Tochter eines berühmten und wichtigen Mannes.
    Und obwohl er darüber schwieg, wusste sie nur zu gut, dass er ein Aizu war, ein Feind. Eijiro sagte immer, die Männer aus dem Norden seien Verräter, verkommen, arm, hinterwäldlerisch, ungebildet, lebten in jämmerlichen Hütten und wüssten nicht mal, wie man mit Stäbchen isst. Sie wären kaum menschlich, dazu geboren, Dienstboten zu sein, ungeeignet für alles andere. Vielleicht war es falsch von ihr gewesen, so eingenommen von ihm zu sein. Wie sehr es ihr auch gegen den Strich ging, so etwas zu denken, vielleicht hatte Eijiro doch recht. Schließlich hatte ihr Vater in der Schlacht gegen die Aizu gekämpft, und ihre Mutter hatte sie abwehren müssen, als sie in Kyoto an ihre Tür hämmerten. Sicherlich beging Taka an ihrer ganzen Familie Verrat, wenn sie mit jemandem wie ihm auch nur sprach.
    Aber als sie Nobu vor sich stehen sah, die dürren Waden nackt, die Jacke zerrissen und schmutzig, verflog ihr Ärger vollkommen. Er kam wieder zu Atem, und sein Gesicht glättete sich. Taka achtete nicht mehr auf sein staubiges Haar und die fleckige Kleidung, sondern bemerkte nur noch seine vollen Lippen, die stolze Nase und die hohen Wangenknochen. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie gut aussehend er geworden war. Das machte sie plötzlich schüchtern.
    »Du bist gekommen!«, flüsterte sie und blickte voller Furcht, Fujinos gewaltigen Schatten näher kommen zu sehen, über die Schulter. Aber da war niemand. »Wie bist du hereingelangt?«
    Er grinste. Sein Gesicht veränderte sich, und für einen Augenblick war er wieder der Straßenjunge, an den sie sich erinnerte.
    »Bin über die Mauer geklettert. Ich kenne diese Gärten. Es war ziemlich dunkel. Ein paarmal bin ich gestolpert und gefallen.« Er zögerte und schaute sich um. »Ich muss mit dir reden«, fügte er hastig hinzu. »Bist du allein?« Bei dem Ausdruck in seinen Augen wurde ihr unbehaglich.
    Taka nickte. Sie raffte ihre Röcke, sprang mit der Erregung, etwas so Verbotenes zu tun, auf den Kies hinab und schlüpfte in ein Paar Getas. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, huschte sie so leise wie möglich vom Haus fort. Taka hörte Nobu hinter sich hertappen, während die Dunkelheit sie verschluckte.
    Sie folgten den Pfaden, hielten Ausschau nach Steinen, Schlangen und scharfkantigen Blättern, umgingen den Bambushain, atmeten den Geruch warmer Erde und sprossender Pflanzen ein. Die Nacht war wunderschön. Hohe Gräser raschelten und schwankten über ihnen. Sie durchquerten die landschaftlich gestalteten Gärten, blieben auf der Halbmondbrücke stehen, lehnten sich über das Geländer und betrachteten die Karpfen, deren silbrige Rücken im Sternenlicht glitzerten. Die Geräusche des Gelages verklangen in der Ferne, als sie sich hinter dem Teich ihren Weg durch die tiefe

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