Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
hindurchschauen. Die anderen Jungs redeten und brüllten, zogen ihr Schwert bei jeder Gelegenheit, aber er … Man sagte etwas, und er dachte lange darüber nach, dann antwortete er sehr bedächtig und sorgsam in seinem Satsuma-Dialekt. Ich konnte zunächst kein Wort verstehen, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Und wenn er etwas entschieden hatte, konnte nichts ihn mehr davon abbringen. All die aufgestaute Energie, die darauf wartete, auszubrechen. Er war wie ein Vulkan.«
Takas Mutter lachte, nicht das hohe Geisha-Klingeln, sondern ein kehliges Glucksen. »Ein stattlicher Mann, so groß wie ein Pferd. Ja, man konnte nicht mal ein Pferd finden, das kräftig genug war, ihn zu tragen. Wie gut, dass du ihm nicht ähnlich siehst, Taka. Wie gut, dass du keinem von uns beiden ähnelst.« Sie seufzte. »Kein Wunder, dass wir beide zusammenfanden, nehme ich an. Der konnte vielleicht seinen Reis reinschaufeln – jemand mit solchem Appetit hat man noch nie gesehen.«
»Und auch Appetit auf anderes, kann ich mir vorstellen«, sagte Tante Kiharu und warf Takas Mutter aus den Augenwinkeln einen anzüglichen Blick zu.
»Ein Appetit auf das Leben. Ich weiß noch, wie er im Teehaus auftauchte. In Kyoto war ich immer diejenige für einen besonderen Geschmack. Männer haben im Allgemeinen nicht so viel übrig für füllige Frauen.« Auf ihren Wangen erschienen Grübchen. »Sie haben mich nicht umsonst Buta-hime genannt. Prinzessin Schwein. Ich war damals nicht schlanker als heute.«
»Kein Grund zur Bescheidenheit, meine Liebe«, sagte Tante Kiharu. »Schließlich hast du den besten Mann von allen bekommen.«
»Nun ja, ich konnte genauso gut singen und tanzen wie alle anderen, dafür habe ich gesorgt.«
»Außerdem warst du witzig und hast sie alle zum Lachen gebracht. Und du wusstest, wie man einen Mann glücklich macht.«
»Dann tauchte eines Tages dieser Schrank von einem Mann auf. Einer der Anführer der Satsuma brachte ihn mit, wenn ich mich richtig erinnere. Ich war natürlich eine Geisha – tiefer kann man nicht sinken –, und er war ein niederrangiger Samurai; wir waren beide von bescheidener Herkunft. Und wir waren beide nicht schmächtig. Er schaute mich an, ich schaute ihn an, und das war es.«
»Und ein paar Jahre später, als ein Trupp Choshu-Jungs den Kaiser entführen wollte und bis zu den Toren des kaiserlichen Palastes vordrang …«
»War unser Masa da, in vorderster Reihe der Satsuma-Truppen, und verteidigte die Tore.«
»Die halbe Stadt ging in Flammen auf. Du warst damals ein kleines Mädchen, Taka, so ein hübsches kleines Mädchen.«
»Ich lief auf die Straße und sah, wie die Flammen zum Himmel aufschossen wie eine Feuerwand«, mischte Taka sich ein. »Und ich hörte das Knistern und Prasseln.«
»Und am Ende siegten sie. Wer hätte das je gedacht? Die Choshu und die Satsuma vereinten ihre Truppen und siegten, und ehe wir uns versahen, hatten unsere Liebhaber die Regierung übernommen. Sie zogen westliche Kleidung an, schnitten ihre Haarknoten ab, wurden erwachsen und zu Staatsmännern.«
»Einige haben die Geishas sogar geheiratet, die sich so gut um sie gekümmert hatten. Ikumatsu, zum Beispiel. Sie ist eine der Glücklichen.«
»Sie hat es verdient. Erinnerst du dich, wie sie all die Männer aus dem Norden umgarnte, die in ihr Teehaus kamen? Sie kitzelte Geheimnisse aus ihnen heraus und gab sie dann an Kogoro weiter. Und als er vor der Polizei des Shogun fliehen musste und sich als Bettler verkleidet unter der Vierten Brücke versteckte, hat sie Reisbällchen aufgehoben und sie ihm jede Nacht gebracht.«
»Und jetzt ist Kogoro Katsura einer der mächtigsten Männer im Land …«
»… und sie ist die ehrenwerte Madame Katsura. Ich treffe sie manchmal auf Festen. Sie spielt immer noch das Shamisen und tanzt sehr hübsch.«
Die beiden Frauen sahen sich an und lächelten wehmütig.
»Einige haben es besser getroffen, andere schlechter. Mein Danna ist freundlich genug zu mir, aber über Heirat wurde nie gesprochen«, sagte Tante Kiharu.
»Mach dich nicht lächerlich. Er hatte bereits eine Ehefrau. Was meinen Masa betrifft, vielleicht hatte er eine andere Frau, von der er mir nicht erzählte, oder er wollte mich vielleicht nicht heiraten. Mag sein, dass er mich als Geisha behalten wollte, nicht als Ehefrau. Geishas sind Geishas, Ehefrauen sind Ehefrauen. Manche Männer wollen beides. Ja, sogar die meisten. Ich muss sagen, der Mann fehlt mir. Masa würde mich ausschimpfen, wenn er wüsste,
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