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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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für ein Stipendium, aber meine Ausbildung bedeutet mir sehr viel. Ich gehe auf die Uni für Pharmakologie. Ich mach diesen ganzen Mist nur, damit ich das bezahlen kann.«
    »In Ordnung also. Wir haben uns jetzt verstanden.« Jane wollte sich abwenden. Sie zitterte ein wenig, ob jedoch aus Ärger oder wegen der nachträglich empfundenen Angst, das wußte sie nicht.
    Aber Puck zögerte zu gehen. »Ähm, hör mal. Vielleicht würdste mal irgendwann mit mir ausgehen? Wir könnten vielleicht tanzen gehen.« Er sah den Beginn eines Kopfschüttelns und klopfte sich leicht mit den Fingerknöcheln auf die Stirn. »Was bin ich für ein Idiot - ich habe dich ja noch nicht bezaubert.« Er grub in seinen Taschen, schlug sich auf die Jeans, steckte die Hände tief in die Jacke. »Das hier wird dir gefallen. Nichts ist einer narrensicheren Bezauberung je näher gekommen. Wenn ich sie nur ... Ah, ja. Hier ist sie.« Aus der Jacke holte er die Illusion einer Rose. Die Blütenblätter waren von einem Rot, das tiefer als das Rot des Blutes war, und hatten purpurfarbene Strähnen. Sie waren schwach, jedoch merklich durchsichtig.
    Er verbeugte sich tief und präsentierte sie ihr.
    Als sie die Finger um den Stengel schloß, verblaßte die Rose ins Nichts. Und Puck hatte recht gehabt. Jane war bezaubert.
    »Also, wie wär’s?«
    Er steckte die Brille in die Tasche und sah ihr tief in die Augen. Seine Ernsthaftigkeit war nicht mißzuverstehen. Wider bessere Einsicht merkte Jane, daß sie Puck mochte. Unter seinem rauhen Äußeren war er ein braver Kern. Mehr als das: sie fühlte sich mächtig zu ihm hingezogen. Etwas in ihr reagierte auf seine Gegenwart.
    »Nein«, sagte sie.

    Jane war noch immer ein wenig high, als sie von Jenny Greenteeths Studentenfete zurückkehrte. Der Radiator zischte und klapperte und blies kleine Tröpfchen aus dem Luftschlitz.
    Es war ein kalter Herbstnachmittag. Die Stadt draußen vor dem Fenster sah langweilig und träge aus. Weit in der Ferne blähten sich Wolken wie eisendunkle Amboßköpfe. Davor schossen schwarze Flecken davon, Sturmhexen auf der Flucht. Einige wenige ledrige und nasse Eichenblätter, von irgendeinem Wind hochgeweht, klebten an der Scheibe.
    Jane zog die Vorhänge zu und entkleidete sich in dem gedämpften Licht. Monkey war auf Exkursion und würde erst spät am morgigen Tag zurückkehren. Jane legte sich aufs Bett und fing an, sich zu berühren. Sie streichelte sich ohne Mut die Brüste und ließ die Handfläche den Bauch hinablaufen. Zunächst dachte sie an Puck, und dann dachte sie an überhaupt nichts.
    Träge sah sie zwischen den Brüsten hinab, über die schwellende Ebene des Bauchs hinweg. Üppiges Haar wuchs dicht auf dem runden Hügel der Scham. Manchmal gefiel ihr die Vorstellung, es wäre ein Wald, und sie, die winzigste aller Forscherinnen, wanderte hindurch. Ihre Finger glitten zur Öffnung ihres Labyrinths hinab, verspürten Feuchtigkeit und verweilten. Es war ein Zauberwald, völlig still. Nicht einmal Vögel sangen in den Zweigen. Sie wanderte hindurch und blickte sich verwundert um. Die Finger bewegten sich etwas rascher. Alles war verstummt, erwartungsvoll, wartend. Die Finger wurden langsamer. Sie neckten die Klitoris. Weit voraus war eine Erhebung. Ganz gemächlich ging sie auf Umwegen durch den Wald darauf zu.
    Jane phantasierte und war sich zugleich des Schlafraums um sie her, des Betts unter ihr und der Decke über ihr bewußt. Während sie mit ihrem Knöpfchen spielte, war ihr, als stiege sie auf, als schösse das Bett unter ihr mit zunehmender Geschwindigkeit hoch, direkt in den Himmel. Das Zimmer fiel zurück, die Universität, die Stadt und all ihre Gebäude zerkrümelten, stürzten ein - es ging weiter und weiter.
    Die Decke pochte und spannte sich, wurde immer dünner. Die ersten Sterne des Abends strahlten durch den verschwindenden Schleier. Immer mehr wurden es, immer dichter standen sie beieinander. Jane keuchte und wand sich auf dem Bett. Die Laken unter ihr schoben sich zusammen. Rascher jetzt. Der Himmel wurde purpurfarben.
    Sie schwebte.
    Mit einem gesteigerten Gefühl der Erwartung lief sie den Hang hinab. Zu beiden Seiten flogen Bäume vorüber. Rascher und rascher, im Takt mit der drängenden Bewegung der Finger, lief sie; eins mit der Jane, die, Welten entfernt, in den Himmel schoß. Sie erreichte die Hügelkuppe und schaute verwundert und ungläubig hinab.
    Da unten war ein kleines Landhaus.
    Ein niedriges Haus, weiß und fremdartig im Aussehen, und

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