Die Tochter des stählernen Drachen
Schwanz.
An der Unterseite der Traufen hingen mehrere schwammartige Gebilde. »Verdammt! Ich kann sie nicht ganz ...«
»Da sind bestimmt keine Eier«, meinte Jane. »Nichts legt im Herbst Eier.«
»Krötenvögel doch. Es ist nicht wie bei der Frühjahrsbrut; sie werden nicht ausgebrütet. Sie heben sie für den Winter auf, so daß sie während des Axtmonds etwas zu fressen haben.« Sie sah herab, und ein merkwürdiges Lächeln zuckte um ihren breiten Mund. »Jaaane! Kletter da raus und hol mir ein paar Eier!«
»Ich bin kein Kletterer! Warum holst du nicht Smidgeon oder Little Dick oder ...«
»Die sind nicht hier.« Sie tauschte Blicke mit Thistle aus, und ehe Jane hätte reagieren können, hatte die Gestaltwandlerin sie gepackt und zu Dimity hinaufgeworfen. Die jungen Feen waren beide außergewöhnlich stark. Lachend steckten sie sie aus dem Fenster und schoben. Die Schachtel mit den Zahnrädern wurde umgestoßen, kleine metallene Räder kreisten um die Achse und rollten davon. »Hinaus mit dir, meine Schöne!« trällerte Dimity.
Jane klammerte sich wild am Fensterrahmen an. Kalter Wind blies ihr ins Gesicht, so daß ihr die Augen tränten. Auf der anderen Seite eines mit Schlackenstein gepflasterten Innenhofs ragte Gebäude 6 vor ihr auf, und dunkle Wolken jagten am Himmel dahin. Schräg unter sich sah sie das Teerpappendach einer Versorgungsbaracke. Es war übersät mit Bruchstücken von Ziegeln und alten Sodaflaschen. Es ging mindestens 30 Fuß tief hinab.
»O heilige Mutter!« keuchte Jane. Verzweifelt wollte sie sich wieder hineinziehen.
Aber zähe gnadenlose Hände drückten ihr die Finger weg. Mit einem Stoß wurde sie in die Leere hinausgeschoben. Sie schlug mit den Armen um sich, befürchtete, sich zu übergeben, schloß fest die Augen und griff nach dem Fensterrahmen. Ihr Gewicht ruhte jetzt auf dem oberen Schiebefenster. Nur ihre Beine waren drinnen.
»Zapple nicht, sonst lassen wir dich noch fallen!«
Sie hatte wieder Halt am Fensterrahmen gefunden. Brüchige Flocken von Farbe zerbröselten ihr unter den Fingerspitzen. Sie preßte sich flach gegen das Gebäude, und Ziegelsteine zerkratzten ihr die Wangen. Der süßliche Geruch von Krötenvogelmist stach ihr in die Nase. Der obere Rand des Außenrahmens war weiß davon. Auch kalt war es hier draußen. Sie zitterte heftig. »Oh, bitte, laßt mich rein!« flehte sie. »Liebe Dimity, ich werd alles tun, worum du mich bittest, ich werde deine beste Freundin sein, nur ...«
»Hier.« Eine Hand mit einem Plastikbeutel schoß heraus. »Mach ihn voll, dann kannst du wieder reinkommen.« Einer von Janes Schuhen war herabgefallen, und sie spürte jetzt, wie Thistle ihr den Strumpf abstreifte. Eine scharfe Fingerspitze zog sich bis zur Fußmitte hoch, hielt inne und strich dann über den weichsten Teil. »Hör mit der Kitzelei auf! Wenn sie runterfällt, krieg ich keine Eier.« Die Hand fuhr ungeduldig auf und ab. »Nimm den Beutel!«
Jane gehorchte. Sie hatte tief Luft geholt und öffnete die Augen. Kopf und Magen waren so übel dran, daß sie einen Augenblick brauchte, bis ihr klar wurde, daß sie zur Unterseite der Simse hinaufsah. Dort oben mußte es zwanzig Nester geben, warzige und ausgestülpte Dinger mit einem Loch an einer Seite, wie fehlerhaft gedrehte Krüge.
Die Krötenvögel hatten sich bei ihrem ersten Auftauchen am Fenster zerstreut. Aufgeregt flatterten sie nicht weit entfernt umher und schlugen hysterisch mit den schwarzen Schwingen. Widerliche Dinger waren es, Mischlinge, das Ergebnis aus Dohlen und weiblichen Froschlurchen, und wie ihre Erzeuger waren sie notorische Diebe. Gewöhnlich wurden ihre Nester von den Dächern entfernt, weil sie eine Vorliebe für glänzende Gegenstände und, anders als die meisten wilden Tiere, wenig oder keine Furcht vor Feuer hatten. Man wußte, daß sie Gebäude in Brand gesetzt hatten, indem sie brennende Zigaretten geklaut und in ihre Nester zurückgebracht hatten. Sie waren eine schreckliche Gefahr.
Zitternd streckte Jane eine Hand aus. Das Nest lag gerade außer Reichweite. Unglücklicherweise würde Dimity das nie als Ausrede akzeptieren. Sie tat einen langen beruhigenden Atemzug und zwang sich dazu, sich in die leere Luft hinauszubeugen. Wenn sie den Arm, der sich ans Fenster klammerte, voll ausstreckte, konnte sie leicht das nächste Nest erreichen. Sie drückte die Hand in die Öffnung.
Das Innere des Nests war mit feinen schwarzen Daunen ausgekleidet und seidenweich bei der Berührung. Sie
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