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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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würde, wenn er versuchte, sie zu benutzen. Nur um deine Spur zu verwischen.«
    »Der Kleine?« 7332 hörte sich verwirrt an. »An ihm ist nichts Besonderes. Ich kann dir so viele von seiner Art besorgen, wie du haben willst.« Sanft drängte er sie: »Setz dich. Es ist an der Zeit, daß wir dieses Gefängnis verlassen. Hinaus in die Freiheit und in den Himmel!«
    Benommen setzte sich Jane auf die Liege und ließ sich von den Servomechanismen umhüllen. Sie umklammerte die schwarzen Handgriffe und verstellte den linken um eine Vierteldrehung. Nadeln glitten ihr in die Handgelenke. Alles verschwamm ihr vor den Augen und veränderte sich, und sie sah durch die Augen des Drachen, verspürte durch sein Nervensystem die kühle winterliche Brise auf seiner eisernen Hülle. Nun war sie nicht mehr nur Jane, sondern ein Teil von etwas viel Größerem, das sie allein niemals sein könnte. Es war ein gutes Gefühl.
    »Lade die Maschinensysteme!« befahl sie.
    »Das ist die richtige Einstellung!« Brennstoff gurgelte, als ihn elektrische Motoren in die Turbinen pumpten. Ein hohes Winseln wurde lauter und lauter, bis es das Universum erfüllte. Wenn die gepolsterten Kopfhörer nicht gewesen wären, wäre Jane taub geworden.
    »Wir sind bereit. Stecke jetzt die Schlüssel hinein!« befahl 7332.
    Jane schaltete eine Reihe von Schaltern an und aus und prüfte, ob die Navigationssysteme bereit waren.
    »Das ist nicht nötig«, sagte der Drache gereizt. »Du brauchst lediglich die Schlüssel hineinzustecken.«
    Plötzlich heulte eine unmenschliche Stimme. Eine zweite Stimme folgte, dann eine dritte. In der gesamten Fabrik gingen die Sirenen an. Leiser, jedoch durchdringender ertönte ein Bellen und Kläffen. Die Cyborg-Hunde. Das konnte nur bedeuten, daß man sie entdeckt hatte. Nach dem Anschalten der Turbinen mußten die verknäulten Linien der Kraft und des Einflusses, die zur Quelle führen sollten, aufleuchten wie Neonröhren.
    »Rasch!« drängte 7332. »Man hat uns entdeckt!«
    Der Rubinkristall und der Walnußnugget steckten in Janes Gesäßtasche; sie saß halb darauf. Aber sie machte keine Anstalten, sie herauszuholen. »Sag mir deinen Namen!«
    Am anderen Ende des Hofs tauchte ein Troll von der Firmenwache auf, Flammen in den Augen. Ihm folgten weitere schwarze Gestalten vor einem kalten Himmel. Jede führte fünf oder sechs Cyborg-Hunde mit sich, die an Titanleinen zerrten.
    »Sie kommen. Wir müssen jetzt abhauen, oder wir schaffen es nie.«
    »Deinen Namen«, beharrte sie.
    Die Cyborg-Hunde wurden losgelassen. Bellend rannten sie auf den Drachen zu. Der erste von ihnen prallte mit einem lauten Klang! gegen ihn und senkte Diamantzähne in seine Seite. Da sie in den Sinnesapparat von 7332 eingetaucht war, spürte Jane die Fänge im eigenen Fleisch. Vor Schmerz schrie sie laut auf.
    Schließlich war die Stimme von 7332 voller Verzweiflung. »Wenn wir jetzt nicht abhauen, werden sie uns schnappen!« Er trat nach dem Hund, und der Hund flog davon. Aber weitere folgten dem ersten dicht auf den Fersen.
    »Das werden sie.«
    Die Hunde sprangen auf den Drachen zu und wollten ihn packen. 7332 vollführte eine Wendung, um sich ihnen entgegenzustellen, und warf Jane dabei fast aus der Liege. Seine Turbinen kreischten, und noch immer konnte er sich nicht zur Flucht konfigurieren. Von den Troll-Soldaten tönten ärgerliche Rufe und hitzige Befehle herüber. 7332 schwächte die Stromkreise ab, die das Gefühl von seiner Hülle herantrugen. In gleichem Ausmaß spürte Jane, wie alles in ihr taub wurde. Dennoch waren die Hunde im Begriff, ernsthaften Schaden anzurichten.
    »Die Schlüssel!«
    Jane wartete. Halb eingetaucht in den Drachen, wie sie war, ungewiß über die Grenzen des eigenen Ichs, ungewiß, wo sie endete und er begann ... er mußte wissen, daß sie nicht bluffte. Daß sie ohne seinen Namen, ohne die Herrschaft, die er ihr verschaffen würde, nirgendwohin ginge.
    »Melanchthon, aus dem Stamm des Melchesiach, aus dem Stamm des Moloch!« rief der Drache. Sein Ärger schlug wie eine Phantomflamme über Jane zusammen. Sein Zorn sengte ihr die Lider an, und sie wußte bis tief ins Innerste, daß er die Wahrheit sprach.
    Sie schlug das Zauberbuch auf, blätterte die Seiten zu den Kommandocodes durch und las ab: »Recurvor. Recusadora. Recusamor.« Die Motoren brüllten und zitterten. »Recussus. Redaccendo. Redactamos.« Jane setzte den Kristall ein. »Redadim. Redambules. Redamnavit.« Der Drache bebte vor unterdrückter Kraft.

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