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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Ein paar schluchzten und schnieften leise, was schon ganz in Ordnung war, aber als Skizzlecraw den Kopf in den Nacken warf und zu jammern anfing, verpaßte ihr Jane eine saftige Ohrfeige. Das brachte sie zum Schweigen.
    An der Treppe zum Schlafsaal trat Jane beiseite und trieb und schob sie knurrend vor sich her. Als der letzte - es war natürlich Creep - vorbeiging, schnappte sie sich den Verbandskasten, der an einem Haken vor Bluggs Tür hing.
    Zuerst hieß es, Wunden verbinden. Glücklicherweise waren nur wenige der Kinder von der Explosion verletzt worden; das Trauma rührte größtenteils vom Schock her. Als sie zu Dimity kam, um ihr das Gesicht zu säubern, löste sich die Gestaltwandlerin aus ihrer starren Apathie und schrie: »Mein Gesicht! Wie werde ich bloß aussehen?«
    »Wie ein Freak«, sagte Jane, »wenn ich diese Dinger nicht ausdrücke. Halt’s Maul und laß mich arbeiten!«
    Sie erledigte ihre Arbeit so gut, wie sie es mit den vorhandenen Werkzeugen tun konnte. Es waren noch immer ein paar schwarze Flecken unter Dimitys Haut, nachdem sie fertig war, aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit war es nichts Ernsthaftes. Sie verabreichte den hysterischeren Kindern eine Dosis Morphium, und dann schickte sie alle ins Bett.
    Jane war jetzt ihre Anführerin.
    Aber wenn es nach ihnen ginge, nicht für lange.

    Als die Kinder schließlich alle schliefen, stieg Jane aufs Dach, um die Geschehnisse unten zu beobachten. Rauch und Funken quollen aus den Schornsteinen, und Rettungsmaschinen streiften ruhelos über das Gelände. Der Tod einer so wichtigen Person wie dem Generalinspektor hatte die ganze Fabrik in hektische Aktivität versetzt - ob produktiv oder nicht.
    Langsam stellte sich wieder Ordnung ein. Thaumaturgen aus den Labors gingen in orangefarbenen Schutzanzügen über das Gelände, verstreuten partikelförmige radioaktive Isotope aus Weihrauchfässern und murmelten Anrufungen, bei denen die Luft vor Entsetzen erstarrte. In ihrem Kielwasser wurde das Gelände kreuz und quer mit blau, rot und gelb glühendem Garn belegt, so daß es aussah wie ein verrückt gewordenes Schaltdiagramm. Es bestand aus einander überlappenden Kreisen und geraden Linien, die sich in unwahrscheinlichen Winkeln trafen und dann wieder trennten. Wie sie erwarten konnten, in dem Gewirr Anzeichen für magischen Einfluß zu finden, war nicht zu erkennen, und anscheinend konnten sie es auch nicht, denn keine der Linien führte zu Nr. 7332.
    Die halbe Nacht lang sah Jane vom Dach hinunter und befürchtete, der Drache könnte entlarvt werden. Sie selbst war ein kleiner und blasser Tupfer auf der schwarzen Dachpappe, und falls jemand sie sah, mußte er sie für eine Lagerhallen-Beschützerin halten, die ihrem rechtmäßigen Gewerbe nachging.
    Als der Mond tief am Himmel stand, rief 7332 endlich nach ihr.

    Jane stieg ruhig vom Dach hinab, sammelte Zauberbuch, Kristall und Nugget ein und zog sich an. Sie benutzte Bluggs Schlüssel zum Verlassen des Schlafsaals, trat hinaus, warf einen Blick zu beiden Seiten und ging zu ihrem Drachen. Sie schritt quer über das Gelände, unternahm keinen Versuch, einer möglichen Entdeckung zu entgehen. Sie fürchtete sich nicht mehr vor den Sicherheitskräften der Fabrik. Das oblag 7332, nicht ihr.
    Als sie den Verschiebebahnhof erreichte, krochen die großen Drachen beiseite, um sie durchzulassen. Sie waren zu stolz, um ihr direkt ins Gesicht zu sehen, aber mehr als einer warf ihr mit einem stolzen und unergründlichen Gesichtsausdruck einen schrägen Blick zu. Ihre Navigationslampen waren leuchtend rote, grüne und weiße Stränge, die der Kontur ihrer Flanken folgten.
    Jane erreichte Nr. 7332 und kletterte an seiner Seite empor. Sie fühlte sich unsichtbar.
    Weiches Licht ging an, als sie die Kabine betrat. Heute nacht gab es keine schützende Tarnung. Die Tür schlug krachend hinter ihr zu.
    »Du hast ihn umgebracht«, sagte sie.
    Aus den lichtlosen Tiefen der Maschinerie tönte eine Stimme, oberflächlich ruhig, jedoch mit erwartungsvollen Untertönen. »Ich mußte die Sicherheitskräfte lange genug von ihren normalen Geschäften ablenken, um meine Vorbereitungen zu beenden. Du mußt das Vergießen von ein bißchen Elfenblut nicht betrauern.«
    Einen Moment lang ergab die Antwort keinen Sinn. Dann ging Jane auf, daß 7332 glaubte, sie redete vom Generalinspektor. »Ich habe Rooster gemeint! Du hast ihn benutzt. Du hast ihn dazu veranlaßt, Bluggs Stechkarte zu stehlen, und du hast gewußt, was geschehen

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