Die Tochter des stählernen Drachen
stehen. Unten an der Leiter zögerte sie, um sicherzustellen, daß sich keine Meryons unter ihren Füßen befanden. Was einstmals schlichte Höflichkeit gewesen war, erwies sich jetzt als Notwendigkeit. Ihre Bewaffnung war bis zu dem Punkt fortgeschritten, wo sie sie töten konnten, sollte sie einen von ihnen zertreten. Über die Schulter hinweg rief sie: »Ich gehe zum Einkaufszentrum!«
Wie sich herausstellte, ging sie statt dessen zu Peter, um Gwen zu besuchen.
Gwen war in keiner guten Stimmung. Der offizielle Wahlkampf für die Weidenkönigin des nächsten Jahres hatte an diesem Morgen begonnen. Fünf Kandidatinnen waren aufgestellt worden, doch Gwen schätzte keine davon. »Seht euch doch diese gemeinen Weiber an!« Sie wedelte mit einem Stapel Handzettel in der Luft. »Sleekit kandidiert - soll ich sie etwa ernst nehmen? Sie hält sich nicht mal die Fingernägel sauber.« Sie lachte bitter. »Ich soll von jemandem angezündet werden mit Fünf-Tage-Stoppeln an den Beinen. Es wäre komisch, wenn es nicht so armselig wäre.«
»Oh, wer auch immer gewählt wird, diejenige wird in die Rolle hineinwachsen.« Peter hob ein Flugblatt auf. »Die hier sieht recht süß aus.« Er blinzelte Jane zu. »Die könnte mir gefallen.«
»Für diese Bemerkung wirst du bezahlen, Herr Hillside«, drohte Gwen. Sie warf Jane ein Papier zu. »Hast du je ein solches Make-up gesehen? Sie muß es sich mit einem Buttermesser aufgeschmiert haben!«
Jane sah auf ein Gesicht hinab, das viel, viel schöner war, als es das eigene Gesicht je sein könnte. »Sieht aus wie eine Maske.«
»Genau! Peter, wozu sitzen wir hier herum? Dazu hab ich keine Lust. Gehen wir irgendwohin, wir alle drei.«
»Die Clubs machen erst in ein paar Stunden auf.«
»Wer hat gesagt, es müßte ein Club sein? Das Leben besteht noch aus anderen Dingen als nur Tanzen. Gehen wir in meine Wohnung. Jane hat sie noch nie gesehen, nicht wahr, Jane? Ich denke, sie sollte sie sehen, zumindest einmal. Kommt schon, gehen wir!«
Durch irgendeine technologische Voraussicht informiert wartete die Limousine an der Ecke, als sie die Straße betraten. Ein schwarzer Zwerg hielt ihnen die Türen auf, dann stieg er in einen Kutschkasten über dem vorderen Gepäckraum und nahm die Zügel. Das Innere bestand aus grauem Plüsch mit kohlschwarzen Beschlägen. Es gab eine eingebaute Bar, doch Jane traute sich nicht, sie zu öffnen. Den ganzen Weg über starrte Gwen mißmutig aus dem Fenster.
Jane war nie zuvor in Gwens Penthouse gewesen. Peter hielt sich nicht gern dort auf; hier vergnügte sie sich mit ihren Gentlemen-Freunden. Mit großen Augen starrte Jane den weißen Flügel an, die schlanken Vasen mit Schnittblumen, das riesige runde Wasserbett.
»Nun, was ist? Probier’s aus!« Nach kurzem Zögern ließ sich Jane auf das Bett plumpsen. Kleine Wellen eilten davon, kehrten zurück und hoben sie hoch wie ein Boot. Gwen verschränkte die Finger zu einem magischen Zeichen der Macht, und verborgene Motoren drehten das Bett. Ein weiteres mystisches Zeichen, und das Lautsprechersystem schaltete sich ein.
Etwas Luxuriöseres hatte Jane noch nie gesehen. Man konnte sich flach auf die weißen Satinlaken legen und zuschauen, wie das eigene Abbild sich langsam in der verspiegelten Decke drehte, wie eine neue Sternenkonstellation am Himmel. Die Lautsprecher waren in den Rahmen eingebaut: Wenn Bloodaxe mit ›Mama’s Last Wish‹ aus ihrem No Exit -Album loslegten, ging einem der Baß direkt durch die Eingeweide und brachte den Magen zum Beben.
»Das ist wunderbar!« rief sie.
»Ja, nicht wahr?« Gwen streckte eine Hand aus und zog sie hoch. »Ich will dir alles zeigen.« Sie wirbelte durch das Zimmer und öffnete Türen. »Die Sauna ist hier, der Fitneßraum hier. Das ist das Badezimmer.«
»Was ist das?«
»Ein Bidet.«
Errötend sagte Jane: »Oh.«
In einer Grotte aus nachgemachtem Fels war ein Jacuzzi eingebaut. Orchideen fielen von künstlichen Nischen herab, und Spinnenpflanzen ließen ihre Triebe bis fast ins Wasser hinabhängen. Farbige Lichter wirbelten auf dem Grund. Schränke gab es, die waren gerammelt voll mit unglaublichen Schätzen aus Seide und Synthetik. Auf Gwens Ankleidetisch standen so viele Parfümflaschen, daß ein bedrückendes Miasma darüber lag. Sie hob einen Zerstäuber aus der Sammlung und sprühte sich einen winzig kleinen Hauch von Duft über die Halsmulde. »Ich weiß, es ist schrecklich von mir, das zu sagen, aber ich kann nicht anders - ist das alles
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