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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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schreckliche geblümte Bluse sowie Jeans, die nicht mal richtig paßten. Schon komisch. Sie waren so billig, daß ich mich schön fühlte, als ich unbekleidet der Sonne und dem Wind ausgesetzt war.«
    »Du warst schön«, sagte Peter ernst.
    »Ist er nicht süß? Aber du greifst der Geschichte vor. Also habe ich mich zusammengenommen, tief Luft geholt und bin hineingesprungen. Es war das Tapferste, was ich je in meinem Leben getan habe.« Gwen legte sich den Spiegel auf die Knie, stellte die Schnupfdose auf den Kopf und klopfte gegen ihre Seite. Nichts. »Scheiße! Mehr ist nicht da? Peter! Du hättest mir noch was besorgen sollen.« Sie warf Dose und Spiegel beiseite. »Mir wird übel von dieser Wohnung. Gehn wir!«
    »Wohin?« fragte Peter.
    »Was zum Teufel kümmert’s mich! Die Clubs werden bald öffnen. Uns wird schon was einfallen. Gehn wir einfach!«
    Die Limousine wartete. Sie stiegen ein und fuhren die Straßen hinab. Gwen hämmerte mit der Handfläche gegen das Dach. »Schneller!« Der Zwerg gehorchte. Eine Drehung der Hand, und ›Green Man‹ ertönte, ihr Whitsuntide -Album. Sie starrte zum Fenster hinaus.
    »Was ist dann geschehen?« fragte Jane. »Nachdem du in den Tümpel gesprungen bist?«
    Gwen drehte sich ruckartig um und sah sie stirnrunzelnd an. Dann wechselte ihre Stimmung erneut, und sie lächelte. »Ich sank hinab, hinab, hinab. Zunächst war das Wasser braun wie Tee. Aber es wurde rasch schwarz, und dann hab ich nichts mehr gesehen. Ich hab nicht mehr gewußt, in welche Richtung ich geschwommen bin, aber es muß abwärts gewesen sein, weil ich nicht an die Oberfläche zurückgekehrt bin. Mir schmerzten die Lungen und die Ohren - du kannst es dir nicht vorstellen! Es war, als hätte man Nägel hindurchgetrieben.
    Kleine Ranken berührten mich sanft wie Finger von unzähligen kleinen Liebhabern. Dann beharrlicher. Sie wurden dicker und klammerten sich mir ans Gesicht, und jetzt drohte ich zu ertrinken, und obgleich ich genau das wollte, mußte ich doch dagegen ankämpfen. Aber dadurch verstrickte ich mich nur um so fester. Ich trat um mich und riß an den Wurzeln, bis sie mich umhüllten und ich mich nicht mehr bewegen konnte. Da stieß mir etwas gegen den Mund.
    Es war weich, wie eine überreife Pflaume, und etwa von der Größe meiner Faust. Es war ein schwarzer Apfel, das habe ich sofort bemerkt, einer, der unerklärlicherweise wesentlich näher am Licht gewachsen war als üblich. Ich dachte mir, wie schön es wäre, mit dem Geschmack eines Apfels im Mund zu sterben.« Gwen streckte die Hand aus, um Peters Jeans zu streicheln. Er rutschte hin und her, spreizte die Beine ein wenig, und sie knetete ihm geistesabwesend die Innenseite der Schenkel.
    »Ich biß tief hinein, und er war nicht süß, nein. Er war bitter, so bitter. Und gut.«
    Peter schloß die Augen und murmelte: »Wir sind fast beim schönen Teil.«
    »Die Wurzeln gaben mich frei, und ich stieg auf, o ja, ich sprühte vor Energie, und die Wasser wurden heller, heller, heller. Die Oberfläche des Tümpels war ein Kreis von Licht, und dann zerbrach sie.«
    »Was ist ein schwarzer Apfel?« fragte Jane. Ihre Frage wurde überhört.
    »Ich stand am Ufer des Tümpels, als sie emporschoß. Es war die phantastischste Sache, die je irgendwer gesehen hat. Eine Sekunde nichts, und dann diese wunderschöne nackte ...« Er suchte nach Worten. »Es war, als wäre die Sonne um Mitternacht aufgegangen.«
    »Aber was hast du in den Sümpfen getan?«
    »Ich habe Blutegel gesammelt. Für meinen Apotheker-Kurs. Also war Gwen ein besonderer Glücksfall, weil ihr Hunderte ...«
    »Peter!«
    »... dieser riesigen grünen und goldfarbenen Sauger am Körper hingen. Sie waren überall! Auf ihren Brüsten, dem Gesicht, den Beinen und überall. Wir haben ewig gebraucht, sie alle abzupflücken.«
    »Du Mistkerl! Du hast versprochen, darüber niemals ein Sterbenswörtchen verlauten zu lassen.«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Ich hab dir gesagt, du sollst es nicht tun, und das ist dasselbe.« Sie hämmerte auf seine Brust ein, und dann kitzelte sie ihn unter dem Brustkorb. Er brach hilflos vor Lachen am Fenster zusammen. »Scheusal! Tier!« Die Limousine kurvte durch die düsteren Straßen. Jane auf ihrer Seite des Sitzes fühlte sich glücklich und ein wenig verlegen.
    Gwen hörte auf, Peter zu kitzeln. Als er sich wieder erholt hatte, saugte sie an seinen Fingerspitzen, einer nach der anderen, wobei ihr Mund kleine nasse Laute von sich gab. »Sag mir, was du

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