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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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es ganz und gar nicht.« Und es war auch nicht so. Es war die Geschichte selbst, die sie entsetzte. Auch wenn sie keine großen Erwartungen daran geknüpft hatte, so erwies sich Sex als noch schmutziger, geschmackloser und zynischer, als sie geargwöhnt hatte.
    »Mmmm. Wo war - o ja. Wir haben so ’n paar Stunden auf diesem Bett weitergebumst, und die Sahne an der Sache war für mich, daß ihr Jagdwild die ganze Zeit über keine drei Schritte entfernt war, durch die Risse in der Tür zuschaute und zweifellos die Hose um die Knöchel liegen hatte und an sich herumspielte. Wie würde er lachen, wenn sie verschwunden sind, dachte ich. Wie würde er brüllen!
    Aber nachdem sie verschwunden waren und ich die Tür zur Abstellkammer geöffnet hatte, lachte er nicht. Nein, überhaupt nicht.
    Wozu hast du das getan? fragte er mich. Ich sagte, wenn es dir nicht gefallen hat, warum hast du es dann nicht unterbunden? Darauf er: Wie hätte ich das tun können? Sie hätten mich doch gefangen.
    Was willst du mir damit sagen? fragte ich - daß sie mit mir nur deswegen alles tun konnten, weil du Angst gehabt hast?
    Er sah weg. Nun, vergessen wir, daß es je geschehen ist, sagte er.
    Aber vergessen konnt ich’s nicht. Denn in meinen Augen war er nicht mehr so groß, wie er noch im Augenblick zuvor gewesen war. Er war ein wenig geschrumpft.
    In meinen Augen war er in Ungnade gefallen, verstehst du. Und was dann noch alles geschah ... Ich werd dir nur eine weitere Sache erzählen. Ich bin mal nach Hause gekommen und hab gesehen, daß alle meine Arzneimittel sowie die Hälfte meiner Kleider verschwunden waren. Also griff ich mir den Baseballschläger, den wir für Einbrecher neben der Tür stehen hatten, und ging ihn suchen.
    Er war unten bei der Verbrennungsanlage und spielte mit etlichen Trollen und einem roten Zwerg Würfel. Er war voll wie eine Haubitze. Der Zwerg trug meinen besten schwarzen BH als Halstuch.
    Ich bin kreischend auf sie losgerannt. Wie ein aufgeschreckter Hühnerschwarm sind sie ab, alle außer ihm, und haben sich beim Abgang Wetteinsätze und Flaschen geschnappt. Diesen BH hab ich nie mehr wiedergesehen. Aber als ich ihm mit dem Baseballschläger eins versetzen wollte, ist er zurückgezuckt. Er ist zurückgezuckt ! Das konnte ich ihm nicht verzeihen.«
    »Warum?«
    »Wenn du mal ein paar Männer unterm Gürtel gehabt hast, wirst du’s verstehen. Nun, er hat den Schläger gepackt, und wir haben darum gekämpft. Keiner konnte ihn dem anderen abnehmen. Er war auf meine Größe geschrumpft.
    Danach ging es rasch. Er ist heimlichtuerisch geworden, ist in Koboldstadt herumgeschlichen und hat sich da mit einem Schätzchen getroffen, das war ’ne richtige Bergäffin, deren Fingerknöchel den Boden gestreift haben. Dabei hätte er sie sich früher in unserem eigenen Bett vorgenommen, während ich schlafend danebengelegen hätte. Er fing an, mir Geld aus der Börse zu klauen, wo er mir früher angedroht hätte, er würde mich auf die Straße schicken, um es zu verdienen, wenn ich ihm gesagt hätte, ich hätte keins. Er hat gelogen, er hat einen auf wehleidig gemacht, er wollte mir nicht ins Gesicht sehen. Ich hätte ihn rausgeworfen, aber wir hatten unseren wahren Namen geteilt, und mir blieb nichts anderes übrig, als diese Sache bis zum Ende durchzustehen. Tag für Tag ist er in meiner Achtung gesunken, ist kleiner geworden, bis er nicht mehr größer war als ein Stachelschwein. Schließlich ist mir nichts anderes mehr übriggeblieben, als ihn in diese Flasche zu stecken. Und dort bleibt er.«
    Sie beugte sich tief über den Homunculus und summte: »Mach dir keine Sorgen, mein kleiner Schnuckiputzi! Eines Tages wird deine Feenprinzessin kommen. Sie wird jung und wunderschön sein, und sie wird dir ins Auge sehen. Du wirst nicht betteln müssen, sie wird wissen, was du willst. Sie wird den Hammer vom Amboß heben und ihn so rasch durch die Luft schwingen, daß ihm kein Auge eines Sterblichen folgen kann. Du wirst verblüfft und erstaunt sein. Gar nicht zum Nachdenken kommen. Der Hammer wird wie ein Blitz herniederfahren und deine enge kleine Welt in eine Million Scherben zerschmettern und dich befreien.« Sie richtete sich auf und warf Jane einen eigentümlichen Blick zu.
    »Aber nicht heute.«

    Als Salome den dritten Tag nacheinander nicht zur Schule kam, war allen klar, daß etwas los war. Im Klassenzimmer verkündete Grunt, daß sie einen Unfall mit dem Geländerad gehabt habe und ins Krankenhaus gebracht worden sei.

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