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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit Goldstaub überzogenen Himmel.
    »Er muß kommen«, sagte Gabriel rauh. »Der Scheck über fünfzigtausend Francs ist gesperrt und wird erst freigegeben, wenn das Kind bei uns ist. Nicola konnte das Geld nicht vorher kassieren und irgendwohin verschwinden. Er muß kommen!« Er trat neben Nadja und legte den Arm um ihre Schultern.
    So standen sie wieder am Straßenrand und warteten. Ein Zug Kürassiere ritt an ihnen vorbei, und Nadja schloß die Augen. Das Getrappel der Hufe hallte in ihr wie Kanonenschläge. Die bunten Uniformen erweckten Erinnerungen an die Palastgarde von Zarskoje Selo und an Nikolai Gurjew, der seiner Schwadron wie ein junger Held vorausritt.
    Gabriel zog wieder seine Uhr hervor. Seine Hand zitterte dabei. Gleich halb vier.
    »Komm«, sagte er und legte den Arm um Nadja. »Wir warten bis vier Uhr …«
    »Und dann?« Es war die klägliche Frage eines Kindes. So hilfesuchend klang sie, daß Gabriel mit den Zähnen knirschte vor Qual.
    »Dann platzt mitten in Paris eine Bombe!«
    Um vier Uhr neununddreißig Minuten fuhr ein Wagen an ihnen vorbei, den sie wie alle anstarrten, mit den Blicken verfolgten und dann aus den Augen verloren. Ein Mann mit Sonnenbrille und Sportmütze saß hinter dem Steuer. Allein. Und dann zuckte Nadja hoch, warf die Arme empor, wirbelte herum und stieß Gabriel vor die Brust, der sie auffangen wollte, weil er dachte, sie falle in Ohnmacht.
    Irgendwoher, zwischen dem Rattern der Motoren, dem Klappern der Pferdewagen war eine kleine dünne Stimme aufgeklungen.
    »Mama!« hatte sie gerufen. »Mamuschka … Mama …«
    Und da sah Nadja sie … die kleine Gestalt mit den struppigen schwarzen Haaren, in einem rosa Kleidchen mit Spitzenüberwurf, blauen Schnallenschuhen und weißen Strümpfen. Sie lief den Kai entlang, an den Bücherständen vorbei und suchte zwischen den Bäumen und den promenierenden Menschen.
    »Mamuschka …«
    »Helena!«
    Es war ein Aufschrei, so hell und jubelnd, so wild und vor Glück berstend, daß die Menschen sich umdrehten und Gabriel das Herz stockte. Mit ausgestreckten Armen stürzten das Kind und Nadja aufeinander zu, und als sie sich in die Arme fielen, sank Nadja mitten auf dem Kai in die Knie, riß Helena an sich, küßte und streichelte sie, und sie weinte und stammelte russische Zärtlichkeiten und rief immer wieder: »Helenuschka! Mein Engel! Mein Engel!«, als habe sie Helena nicht wiederbekommen, sondern als wolle man sie ihr wegnehmen.
    »Der Onkel hat meinen Koffer auf die Straße gestellt dort hinten«, sagte Helena und zeigte zurück zum Pont St. Michel. »Dann hat er gesagt: Lauf am Kai geradeaus … deine Mutti wartet dort …« Sie zupfte Nadja am Arm und lachte sie mit ihren großen dunklen Augen an. »Komm, Mamuschka … wir müssen den Koffer holen. Eine Puppe habe ich drin, die hat mir der Onkel Doktor auch geschenkt …«
    »Sofort mein Engel, sofort.« Nadja sah zurück zu Jean Gabriel, der abseits an einem Baum stand. Er nickte und setzte sich in Bewegung.
    »Ich hole den Koffer …«
    »Wer ist denn das?« Helena sah Gabriel kritisch an. »Wieder ein fremder Onkel?«
    »Sieh ihn dir genau an, Helenuschka.« Nadja umarmte Helena, ihr Gesicht hatte jede Strenge, jedes Leid verloren … es war aufgeblüht und von ergreifender Schönheit. »Er wird dein neuer Vater sein …«
    Zwei Wochen später gab Jean Gabriel in seiner herrlichen großen Wohnung an der Avenue Foch ein Fest für seine Freunde und die Spitzen der Pariser Gesellschaft. Eine Woche lang wurde geputzt und geschmückt, neue Damaste kamen an die Fenster, über den Boden der großen, mit exotischem Parkett belegten Diele wurde ein riesiger dunkelroter Afghanteppich gebreitet, von dem sich die zierlichen goldweißen Rokokomöbel abhoben, als seien sie schwerelos. Zwei neue Kristalleuchter wurden in den Salon gehängt, und mit zwei Wagen brachten Blumengeschäfte den Blütenschmuck in die Wohnung. Rote Rosen und weiße Nelken.
    »Es sind zweitausend Stück!« sagte Saparin, der mithalf. »Allein von dem Geld, das die Blumen kosten, könnten wir fast ein Jahr leben! Mein Vögelchen, da bist du in das richtige Bauer geflogen. Pick dir die besten Körnchen heraus … unter einem Karat betrachte es als Beleidigung.«
    Nadja lachte glücklich. Es sollte ihr Tag, ihr Abend, ihre Nacht werden. Es war der Beginn eines neuen Lebens.
    »Alle werden sie kommen«, hatte Gabriel gesagt, als er die Antworten auf die Einladungen durchsah. »Sie platzen vor Neugier, La Russe ohne

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