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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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setzen das Kind gegenüber der Rue Hôtel Colbert auf die Straße. Ich werde dort warten und das Mädchen in Empfang nehmen.« Gabriel riß das Scheckblatt aus dem Block und schob es Dr. Nicola zu. »Machen wir es so?«
    »Warum rufen Sie nicht die Polizei?« fragte Nicola und ließ den Scheck unberührt liegen. »Sagen Sie bloß nicht, um mir nicht den Hals zu brechen.«
    Gabriel trank sein Glas Rotwein aus, winkte Emile, dem Chauffeur, und erhob sich. »Ich möchte Skandale vermeiden, Doktor. Mit Cassini werde ich in der Stille fertig. Es gibt bessere Methoden als lautes Trommelschlagen.«
    Wortlos verließ Jean Gabriel die Auberge des Gardes .
    »Sie wollten mir den Weg ansagen, Monsieur«, sagte Emile, als Gabriel ins Auto stieg. »Sie haben mich nicht informiert, wohin ich in Versailles fahren soll.«
    »Zurück nach Paris!« Gabriel lehnte sich zurück und steckte sich eine Zigarre an. »Es hat sich erledigt …«
    Der Tag war herrlich. Ein Frühlingstag, wie ihn nur Paris kennt und wie man ihn nur in Paris sehen, riechen, fühlen kann.
    Kurz vor drei Uhr standen Nadja und Gabriel auf dem Quai de Montebello. An den antiquarischen Buchständen war Hochbetrieb; Frühling und Sonne, Blütenduft und Mädchenlächeln regen in Paris an, stundenlang bei den Bouquinisten in den Auslagen zu wühlen und über die Reproduktion eines Bildes oder eine originale Radierung – schon zu zehn Francs das Stück – eingehend zu diskutieren. Auf der Straße ratterten Autos und Pferdewagen, vor den Cafés und Bistros saßen die Künstler und Intellektuellen und alles, was sich dafür hielt, rauchten und tranken Rotwein, beobachteten die anderen Menschen und fühlten sich behaglich in dem königlichen Gefühl, viel Zeit für die Schönheiten von Paris zu haben. Unter den jung belaubten Bäumen zwischen Kaimauer, Fußgängerweg und Straße hatte man gelbgestrichene Klappstühle aufgestellt, und hier saß man zwanglos, blätterte in einem entdeckten Schatz des gegenüberliegenden Antiquariats oder sah den Mädchen auf die Beine, die in diesem Jahr besonders lang erschienen durch die Kürze der Röcke.
    Nadja sah dies alles nicht. Sie lehnte an der Kaimauer, die Hände gefaltet, und starrte auf die Straße. Gabriel rauchte nervös und hastig eine Zigarette nach der anderen und blickte ab und zu auf seine goldene Uhr.
    »Noch sieben Minuten«, sagte er, um nicht völlig schweigsam neben Nadja zu stehen. Sie nickte und schwieg.
    Es ist unmenschlich, was sie jetzt ertragen muß, dachte Gabriel. Weiß man, ob Dr. Nicola die Möglichkeit hatte, Helena in seinen Wagen zu laden und abzufahren? Weiß man, ob er überhaupt etwas unternehmen wird? Was wird, wenn um drei Uhr kein Kind auf die Straße gesetzt wird, wenn man hier wartet und wartet und sich endlich sagen muß: Es ist sinnlos – fahren wir ab. Nadja wird es nicht mehr ertragen können. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie wahnsinnig würde.
    Gabriel ging zu einem der Klappstühle, holte ihn zur Kaimauer und stellte ihn vor Nadja. »Das Stehen strengt dich an, Liebste«, sagte er gepreßt. »Und wir dürfen uns nicht selbst verrückt machen. Genau um drei Uhr ist natürlich unmöglich. Wissen wir, was Nicola für Schwierigkeiten hat?«
    »Und wenn er gar nicht kommt?« fragte Nadja und sprach nun das aus, was Gabriel am meisten auf der Seele lag. »Ich habe dir das Ehrenwort geben müssen, nicht zu fragen, wer Helena entführt hat und woher du seinen Namen kennst. Bei Gott, du wirst mir dann den Namen sagen, oder ich bringe dich um! Nur ›ja‹ brauchst du zu sagen. Ich weiß, wer es ist!«
    Über Gabriels Gesicht zuckte es. »Wer ist es denn?« fragte er beklommen.
    »Cassini!« Nadja sah ihn lauernd an. »Stimmt es?«
    »Noch ist der Tag nicht zu Ende … Er wird das Kind bringen.«
    »Es ist Cassini! In deinen Augen lese ich die Bestätigung!«
    Gabriel wandte sich um und sah hinunter zur Seine und hinüber zu dem langgestreckten Kirchenschiff von Notre-Dame.
    »Drei Uhr«, sagte er. »Ich gehe zur Straße.«
    »Ich gehe mit.« Nadja stieß den Klappstuhl zur Seite. Und dann standen sie am Straßenrand, sahen jeden Wagen an, der vom Pont St. Michel herankam, warteten, ob er langsamer fuhr, ob er hielt, sich eine Tür öffnete, ein Kinderkopf erschien …
    Drei Uhr zehn Minuten. Gabriel schob seine Uhr in die Weste zurück. Auch sein Gesicht war bleich und etwas verzerrt vor Erregung. Nadja hatte sich gegen einen der Bäume gelehnt und starrte in den blauen, von der Sonne wie

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