Die Tochter des Teufels
Maske zu sehen. Und Punkt Mitternacht werde ich sie überraschen, daß man noch lange davon sprechen wird: Ich werde dich als zukünftige Madame Gabriel vorstellen! Damit bist du in die Pariser Gesellschaft eingeführt, und du wirst der strahlendste Stern unter allen Schönheiten sein. Paris wird dir zu Füßen liegen …«
Nadja nickte stumm. Nikolai, dachte sie erschrocken. Das waren seine letzten Worte auf dem Schiff, das sie in die neue Heimat bringen sollte. Nun wurde es Wahrheit. Aber der Glanz, der sie umgab, kam von einem Mann, den sie nicht liebte, sondern aus Dankbarkeit heiraten wollte. Eine Sonne ohne Wärme … konnte man in ihr leben?
Gabriel machte sich darüber keine Gedanken. Er hatte sich eine ganz private Freude ausgedacht. Außer den großen Namen von Paris hatte er auch bewußt Cassini eingeladen. Und Gérard Cassini sagte zu, als sei es selbstverständlich.
Seit der Rückkehr Helenas war Nadja nicht mehr im Moulin Rouge aufgetreten. Ohne Zögern zahlte Gabriel zwanzigtausend Francs wegen Vertragsbruchs und bestellte gleichzeitig seine seit Jahren reservierte Loge ab. Das sprach sich herum und trug dazu bei, daß das Fest glanzvoller zu werden versprach als eine Filmpremiere im Trocadéro.
Der Tag begann mit einem Ausritt im Bois de Boulogne. Nadja ritt einen feurigen Schimmel, und seit über vier Jahren saß sie wieder im Sattel, fest und stark wie ein Kosak, der mit seinem Gaul verwachsen ist.
Gabriel schenkte nach dem Ausritt Nadja diesen Schimmel. »Wie soll er heißen?« fragte er. Und Nadja rief: »Fedja!«
Nach dem Mittagessen im Maxim gingen sie durch die Straßen, die großen Boulevards hinunter, sahen sich die Schaufensterauslagen an und kamen zu Cartier, dem großen Juwelier.
»Sehen wir mal hinein«, sagte Gabriel scheinheilig. »Cartier hat immer schöne Sachen.«
Es war alles vorbereitet. Auf einem Samtkissen lag ein Diadem aus Rubinen und Brillanten, und Gabriel nahm es in beide Hände und setzte es Nadja in das aufgesteckte schwarze Haar mit dem Bronzeton, als sei es eine Krone.
»Königlich!« lobte Cartier ergriffen. Es gehörte zu seinem Beruf, schöne Frauen zu schmücken, aber hier schwankte selbst seine Stimme.
»Sie ist auch meine Königin!« sagte Gabriel stolz. »Schicken Sie das Diadem zu mir … Madame braucht es heute abend.«
Und dann der Abend!
Zwei Diener meldeten die Gäste an. Bankiers, Regierungsmitglieder, Exportkaufleute, Architekten, Filmkünstler und Angehörige des Adels, Botschafter, Rechtsanwälte und Verleger. Es war ein Defilee der großen Namen und berühmten Familien.
Als Cassini durch die Salontür kam, in einem nachtblauen Frack, eine weiße Orchidee im Knopfloch, zuckte Nadja zusammen. Mit eisigen Augen reichte sie Cassini ihre Hand, aber in dem Augenblick, in dem er sich darüberbeugte und sie küssen wollte, zog sie ihm die Hand brüsk weg. Mit einem maliziösen Lächeln richtete sich Cassini wieder auf, griff an seine Orchidee und riß sie aus dem Knopfloch.
»Für Sie, Madame«, sagte er. »Sie heißt Königin der Nacht.«
»Danke.« Nadja nahm die Orchidee zwischen zwei Fingerspitzen, wandte sich um und ließ sie in einen Kübel fallen, in den die Diener das Einwickelpapier der mitgebrachten Blumen warfen. Gabriel grinste fröhlich.
»Mein lieber Cassini«, sagte er laut. »Es freut mich, Sie bei bester Gesundheit zu sehen. Sie werden sie brauchen …«
Der Kampfhandschuh war geworfen. Cassini verbeugte sich kurz und mischte sich wortlos zwischen die anderen Gäste.
Und dann betrat ein Mann den Salon, bei dessen Anblick Nadjas Herz sich verkrampfte. Das ist nicht möglich, dachte sie. So etwas gibt es nicht.
Aber das Unbegreifliche war keine Sinnestäuschung. Der neue Gast stand vor dem Diener, gab seinen Frackmantel ab, wickelte einen großen Strauß roter Rosen aus dem Seidenpapier und warf einen kurzen Blick in den goldenen venezianischen Spiegel in der Diele.
Ein Mann wie Nikolai Gurjew! Groß, schlank, breitschultrig, mit gewellten schwarzen Haaren, nur das Bärtchen über der Lippe fehlte. Aber sonst war es wie eine Wiedergeburt Nikolais … es war sein Lächeln, sein Gang, seine Haltung, seine hoheitsvolle Höflichkeit, als er den Diener dankbar anlächelte, weil dieser ihm ein Stäubchen vom Frack bürstete. Es waren seine Augen, sein Blick, sein jungenhaftes offenes Gesicht, und als er jetzt in den Salon kam, die Rosen etwas linkisch in der Hand, und Nadja bemerkte, ein wenig rot wurde und verlegen, war es ihr, als
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