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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Die Großfürsten und der reiche Adel hatten hier ihre Palais … gegenüber dem Winterpalais, an der Moika oder dem Gribojedova-Kanal, am Smolny-Park oder am Lustgarten. Riesige Kirchenkuppeln und goldene Zwiebeltürme ragten in den grauen Winterhimmel, Soldaten in prächtigen Uniformen gingen über die Straßen, Schlitten mit vornehmen Damen in wertvollen Zobelpelzen glitten durch den verharschten Schnee …
    Nun fuhren sie über den breiten Newski-Prospekt, dem Winterpalais entgegen. Die Leute an der Straße blieben stehen, erkannten den fröhlichen Schlittenfahrer und stießen sich an.
    »Das ist er. Väterchen Grischa. Der Heilige! Nehmt die Mützen ab. Ein Blick von ihm ist mehr wert als ein Segen des Johannes von Kronstadt …«
    Rasputin lenkte den Schlitten auf einen großen Platz und hielt an.
    »Ist es wahr, Väterchen«, fragte Nadja und sah zu ihrem Vater auf, »daß du den Zarewitsch vom Tod errettet hast?«
    »Man sagt es, Töchterchen. Aber es war Gott, der uns allen half.« Rasputin sprang aus dem Schlitten. Er half Nadja aus den Decken und Fellen heraus und hob sie auf die Erde. »Ich erzähle es dir morgen. Komm, ich will dir die schönste Kirche Rußlands zeigen.«
    Hand in Hand gingen sie über den großen Platz zu der mächtigen Kathedrale. Vor den herrlichen Kolonnaden blieben sie stehen und sahen hinauf zur vergoldeten Kuppel.
    »Einhundertzwei Meter ist sie hoch!« sagte Rasputin und streichelte den Kopf Nadjas. Unendliche Zärtlichkeit lag in seinen Händen. »Und sieh dir die Engel in den Ecknischen an. Fackeln tragen sie, die Ostern angezündet werden.«
    Langsam betraten sie die Kirche. Nadjas Augen wurden groß. Dieser Prunk, dieser Reichtum, das Gold an den Wänden, die Heere der Heiligen und Engel an den Wänden, Säulen und Gewölben, diese riesige Kirchenhalle mit ihren bleiverglasten Fenstern, die hochaufstrebenden Wände aus buntem Marmor, die breite, schimmernde Ikonostase aus Lapislazuli und Malachit, die Gemälde der Marienstatuen und Heiligen, das Funkeln der Edelsteine zwischen den Ikonen … es war wie im Himmel.
    Rasputin kniete nieder vor der riesigen Ikonostase. Er faltete die Hände und betete leise.
    »Gott, beschütze dieses Kind«, sagte er demütig. »Herr, wende deine ganze Liebe zu ihr, die meine Seele ist. Strafe mich, wie und wann du willst … aber dieses Kind halte in deiner Hand …«
    Neben der Ikonostase der Kathedrale St. Isaak von Kiew standen zwei Mönche und sahen dem betenden Rasputin und seiner kleinen Tochter zu. Der eine der Mönche, ein junger, blasser Mensch mit unstetem Blick und knochigen Händen, hatte den Kopf vorgestreckt, einem Adler gleich, der sein Opfer vom Gipfel des Berges erspäht.
    »Sieh ihn dir an, Bruder Genjka«, sagte der andere Mönch leise und legte die Hand auf die Schulter des knochigen Menschen. »Brenn dir seinen Anblick in dein Herz! Ihn zu vernichten ist eine heilige Sache. Nichts soll von ihm bleiben!«
    »Und das Kind, Bruder?« fragte der Mönch Genjka heiser.
    »Auch das Kind nicht! Es hat sein Blut. Alles muß weg, was Rasputin ist …«
    Rasputin bekreuzigte sich und stand auf. Er legte den Arm um seine Tochter und ging langsam mit ihr durch die Kathedrale.
    »Und morgen, Väterchen?« fragte Nadja, als sie wieder an den mächtigen Bronzetüren standen. »Fahren wir morgen Schlitten auf dem Fluß?«
    »Nein. Morgen bringe ich dich zur Zarin. Ab morgen, mein Töchterchen, wirst du vergessen lernen, daß du aus Podunskoje in Sibirien kommst …«

2
    Müde von all der Pracht des mächtigen Petersburg, das Köpfchen gegen den zottigen Pelz des Vaters gelehnt, kehrte Nadja Grigorijewna am Abend in die große Wohnung Rasputins auf dem Newski-Prospekt zurück. Wie immer warteten auch jetzt auf der breiten Treppe die Bittsteller und Kranken auf Väterchen Grischa, den Wundermann.
    »Er kommt!« rief es durch das ganze Haus. »Väterchen Grischa ist vorgefahren! Aus dem Schlitten steigt er!«
    In die wartende Menge kam Bewegung. Unten im Eingangsflur machte sich ein Mann, der auf einem Stuhl neben einem Ofen saß, in sein Notizbuch einige Bemerkungen. Er sah auf seine Uhr und schrieb: »8 Uhr 17 abends. Rückkehr mit dem Kind. Er ist in fröhlicher Stimmung.« Dann klappte er das Buch zu und schob es in die Tasche seines langen Rockes.
    Seit der wunderbaren Heilung des Zarewitsch saßen immer einige Männer unten neben der Treppe und bewachten jeden Schritt Rasputins. Spitzel der Ochrana waren sie, der zaristischen

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