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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Professor Dr. Fedorow im Schloß von Zarskoje Selo eintraf, schickte die Großfürstin Stana Nikolajewna ihre Boten aus, um einen Mann zu suchen, den sie bei einer Wallfahrt zum Kloster Kiew gesehen hatte, wie er Holz hackte. Ein Staretz, sagte man ihr. Ein sibirischer Muschik mit heilenden Händen. Im Höhlenkloster von Petscherskaja Lawra, vor den Gräbern der Mumien, hatte er gebetet, und dann war er hinausgetreten unter das Volk und hatte Besessene geheilt mit bloßen Händen und flammenden Blicken.
    Seit einem Jahr war der Wundermann in Petersburg. In einer großen Wohnung auf dem Newski-Prospekt, der Prachtstraße Petersburgs, hielt er Sprechstunden ab, nachdem die Witwe Baschmakowa ihm die Wohnung gemietet hatte aus Dank für Heilung von seelischer Krankheit.
    »Aljoscha wird nicht sterben«, sagte die Großfürstin Stana, nachdem die Zarin weinend auf einen Sessel gesunken war. »Im Kloster von Kiew haben wir jemanden gefunden, der ihn heilen kann.«
    Der Kopf der Zarin zuckte hoch. »Wer ist es?« rief sie. »Keiner kann Aljoscha mehr helfen …«
    »Ein Pilgervater ist's, Alix.« Die Großfürstin Stana sah hinüber zu ihrer Schwester Miliza. »Göttliche Kräfte hat er. Er heilt mit den bloßen Händen …«
    Die Zarin sah sich um. Das Gesicht Nikolaus II. war düster. Genug Heilige waren schon in Zarskoje Selo gewesen.
    »Es geht um Aljoscha, Niki …«, sagte die Zarin leise. Ihre Hände zitterten. »Nur diesen einen noch! Sollen wir alle Hoffnung aufgeben? Wie heißt der Pilgervater?«
    »Rasputin«, sagte Großfürstin Miliza ehrfürchtig.
    »Rasputin!« Die Zarin richtete sich auf. »Er soll kommen! Er soll sofort kommen! Ich will an seine wundertätigen Hände glauben …«
    Die Boten ritten hinaus nach Petersburg.
    Das Fieber des Zarewitsch stieg. Das Kind hatte das rechte Bein fast bis zur Brust angezogen. Schweiß bedeckte den kleinen, mageren Körper, die rechte Hüfte war blaurot und dick geschwollen.
    »Er wird sterben«, sagte Dr. Derewenko leise. »Ich glaube nicht an Wunder …«
    »O Väterchen, welch eine herrliche Stadt! Die großen Häuser aus Stein … die Kirchen … die Paläste … Väterchen, ist das ein Märchenland?«
    Grigori Jefimowitsch Rasputin lachte. Er saß in einem Schlitten, von einem feurigen Pferdchen gezogen, und fuhr durch die Straßen von Petersburg. Gerade waren sie in den Newski-Prospekt eingebogen, der Schnee staubte unter den Hufen und Kufen, und der Fahrtwind zerrte an Rasputins langem Haar. Keine Mütze trug er, nicht einmal einen Pelz … in einem Bauernmantel saß er im offenen Schlitten, eine Felldecke nur über den Knien, und lenkte das Pferdchen mit der Kraft eines sibirischen Bauern.
    Neben ihm an seine Seite geschmiegt, saß Nadja Grigorijewna Woronzowa. In einen Pelz war sie gewickelt, das lange, zu Zöpfen geflochtene Haar umschloß ein dickes wollenes Tuch, aber sie hatte sich aus der Vermummung herausgeschält und sah sich nun mit großen Augen um, wie es ein Mensch tut, der ein wundersames, unbekanntes Land betritt.
    Dezember 1907 war's, und Nadja war nun zehn Jahre alt. Zierlich war sie noch immer, aber doch kräftig, und das Schönste an ihr waren ihre dunklen großen Augen. Als Väterchen Grischa plötzlich in Podunskoje erschien und sagte, sie solle mitkommen nach Petersburg, hatte Mütterchen Helena es zunächst verboten. Dann hatte sie geweint und gefleht, und schließlich wollte sie alles in Podunskoje verkaufen und mitkommen.
    »Später, mein Täubchen«, hatte Rasputin gesagt. »Ich werde dich nachkommen lassen. Zuerst nehme ich das Kind mit … es wird ein anderes Leben haben als wir.« Dann hatte er Helena Feodorowna angesehen, und sein Blick war so stark gewesen, daß sie stumm genickt hatte.
    Anfang Dezember waren sie abgefahren. Mit einem Schlitten nach Tjumen, dann mit einem dampfenden und fauchenden Zug nach Jekaterinburg und Perm und von dort mit einem anderen Zug nach Petersburg.
    »Wie schön ist das, Väterchen!« rief die kleine Nadja immer wieder. »Wie schön! Ich bin noch nie mit einem Zug gefahren.«
    Und Rasputin legte den Arm um sie, drückte sie an sich und war stolz und glücklich wie alle Väter auf dieser Welt.
    St. Petersburg.
    Das war damals neben Paris die schönste Stadt der Erde. Wo gab es sonst noch solche breiten Straßen, solche riesigen Paläste, solchen Reichtum an Gold, Silber und Edelsteinen, Brillanten und Perlen, Kleidern und Pelzen? Wo gab es mehr Pferdekutschen, wo mehr Theatervorstellungen und Feste?

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