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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war. Deserteure, Schieber, Plünderer, Diebe, aber auch – wie Gurjew – Offiziere, die des Verrats angeklagt waren, weil sie mit den Roten sympathisiert hatten. Sogar ein Graf war darunter …
    Nikolai hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden. In den Nächten dachte er mit wehem Herzen an Nadja und sein Kind und bat Gott um Verzeihung … an den Tagen hackte er Holz vor der Küche oder schleppte Baumaterial für neue Baracken heran.
    An einem Freitag fuhren drei große Wagen in das Lager. Die Gefangenen durften die Baracken nicht verlassen, aber schnell sprach es sich herum: Es geht los! Sie bringen Stepphosen und warme Oberkleidung.
    Und dann folgte der Schreckensschrei: Sie laden Ketten ab.
    In den Baracken rotteten sich die Gefangenen zusammen. Flüche flogen hinaus in die Kälte, Fäuste wurden geschüttelt … was half es? Eine Kompanie Soldaten marschierte vor den Baracken auf, drei Maschinengewehre richteten sich auf die Männer, die einzeln heraustreten mußten und von vier Soldaten in Empfang genommen wurden. Ein Haufen Ketten lag im Schnee, und jeder mußte herantreten, seine Hände hinhalten und die Beine spreizen. Die breiten Stahlbänder, an denen die Ketten befestigt waren, knackten um die Hand- und Fußgelenke.
    Mit starren Beinen verließen die Gefesselten den Kreis der Soldaten. Tappend lief Gurjew mit seiner neuen Last durch den Schnee. Hinter ihm fielen klatschende Schläge … zum letztenmal protestierte der Graf. Unter Rutenhieben hielt er seine Hände hin, spreizte er die Beine … dann lief er weinend über den Lagerplatz und rasselte mit den Ketten wie ein gefangener blindwütiger Bär.
    Ernst, abweisend stand Oberst Sinjew an diesem Morgen Nadja Gurjewa gegenüber und las den Brief durch, den sie ihm von Karsanow überbrachte.
    »Sie dürfen also den Transport begleiten?« sagte er feindselig. »Ich verstehe den General nicht, aber das ist seine Sache. Die Verurteilten gehen zu Fuß …«
    »Ich weiß es«, sagte Nadja fest.
    »Sie werden zwei Monate gehen! Durch Eis und Schneesturm, über Steppen und Felsgebirge.«
    »Ich kenne den Weg nach Ust-Tschenaja. Ich habe die Karten studiert.«
    »Sie wollen nebenher laufen?«
    »Ich habe einen Pferdeschlitten, Oberst.«
    »Abgelehnt!« Oberst Sinjew wischte mit seiner großen Hand durch die Luft. »Wir werden Mühe haben, unsere eigenen Begleitpferde und die Troikapferde mit dem Gepäck zu versorgen! Einen Fresser mehr dulde ich nicht.«
    »Dann ziehe ich den Schlitten selbst!«
    Oberst Sinjew sah Nadja verblüfft an, dann zuckte er mit den Schultern und wies zur Tür. »Gehen Sie!« rief er. »Machen Sie, was Sie wollen! Nur stören Sie nicht den Transport! Für mich sind Sie nicht vorhanden …«
    Und so verließ am Sonntagmorgen der lange Zug der Sträflinge das Lager Iwanowna. Oberst Sinjew ritt als letzter aus dem Lagertor, eine martialische Gestalt in dickem Pelzmantel und Pelzmütze. Er stutzte, als er die schmale Frauengestalt bemerkte, die am Straßenrand stand, einen flachen Schlitten hinter sich, die Lederriemen über die Schultern gezogen und über der Brust gekreuzt wie ein Schlittenhund.
    »Sie ist verrückt!« sagte Sinjew laut. »Verdammt, hat man schon mal so ein Weib gesehen?«
    Er galoppierte an ihr vorbei, ohne sie anzusehen, und schrie die Verbannten an, die mit den Ketten rasselten, sobald ein Mensch ihnen entgegenkam.
    Nadja starrte dem dunklen Zug der klirrenden Gestalten entgegen. In den heruntergezogenen Ohrenmützen, in den Kettenbögen, in den dicken Steppjacken sahen alle gleich aus, und doch war einer von ihnen Nikolai Gurjew, wenn Karsanow sie nicht belogen hatte.
    Fast die Hälfte der Sträflinge war vorbeigezogen, als ein Kopf hochflog und ein Mund sich zu einem Aufschrei öffnete.
    »Nadja!« brüllte Gurjew. »Nadjuscha!« Er wollte stehenbleiben, aber da er an das Vorderglied gefesselt war, wurde er mitgezogen, er stolperte, riß an den Ketten, stemmte sich gegen den Zug, versuchte, um sich zu schlagen.
    »Halt!« schrie er. »Halt, Kameraden! Bleibt doch stehen, nur einen Moment, eine Sekunde … stehenbleiben!« Aber unmöglich war's … Gurjew wurde mitgerissen. »Nadja!« brüllte er wieder. »Mein Gott! Mein Gott! Was tust du, Nadja? Wer hat dich hierhergebracht? Nadja …«
    »Halt die Schnauze, Nikolai«, sagte der Graf. »Marschier! Was hat es für einen Sinn?«
    »Es ist meine Frau …«, stammelte Gurjew. »Sieh doch nur … sie kommt mit … sie zieht den Schlitten hinter sich her … wie ein

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