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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem Zimmer. Dafür kamen zwei Hauptleute heraus, begrüßten Nikolai mit Handschlag und führten ihn in ein leeres Zimmer. Dort wartete er fast eine Stunde, bis ein Major ihn abholte, über eine breite Treppe führte und an eine geschnitzte Tür klopfte. Dann schob er Gurjew in das große Zimmer und schloß die Tür.
    Am Fenster lehnte ein bärtiger, mittelgroßer Mann in Generalsuniform und musterte stumm den Menschen, der vor ihm stand. Dann kräuselte er die Lippen und schnippte mit den Fingern.
    »Das also ist Gurjew …«, sagte er.
    »Ja, Herr General.« Gurjews Herz schlug schneller. Konstantin Petrowitsch Karsanow, dachte er. Der Held vieler Schlachten. Der große Stratege. Der Freund Koltschaks. »Hauptmann Gurjew meldet sich nach abenteuerlicher Flucht erneut zum Dienst für Rußland.«
    Karsanow drückte das Kinn an seinen hohen Uniformkragen. Man sah, er war unsicher. »Sind Sie verrückt?« fragte er stockend. »Sie wissen, was gegen Sie vorliegt …«
    »Ein Irrtum, Euer Gnaden.« Gurjew nahm stramme Haltung an. »Bei meiner Offiziersehre erkläre ich, daß alles nur ein Irrtum sein kann.«
    »Ich pfeife auf Ihre Ehre!« schrie Karsanow. Er trat zwei Schritte vor und stützte sich auf seinen Schreibtisch. »Gehörten Sie zum Offizierskommando, das den Zaren aus Jekaterinburg befreien sollte?«
    »Ja, Euer Gnaden. Ich war einer der Gründer dieser Gruppe.«
    »Wurde die Gruppe verraten?«
    »Ich nehme es an. Ich wurde verhaftet, als ich persönlichen Kontakt mit dem Zaren hatte.«
    »Alle Offiziere verloren ihr Leben. Nur Sie allein überlebten.«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber ich weiß es!« brüllte Karsanow. »Man ließ Sie laufen, weil Sie das Unternehmen verraten haben! Ihre Verhaftung war nur zum Schein. Wir wissen, daß Sie um den Preis Ihres Lebens den Zaren verraten haben! Sie sind der Mörder der Zarenfamilie, nicht Jurowski! Ich möchte Sie mit meinen eigenen Händen erdrosseln …«
    Nikolai Gurjew stand gelähmt im Zimmer. Seine Arme hingen kraftlos herab. Zum erstenmal hörte er, was man ihm vorwarf, und das war so ungeheuerlich, so absurd, so irrsinnig, daß er keine Antwort wußte.
    General Karsanow hieb mit der Faust auf den Tisch.
    »Sie schweigen?« brüllte er.
    »Was soll ich sagen?« stammelte Gurjew. »Ich, gerade ich … der sein ganzes Leben nur dem Zaren … der schon in Petersburg an seine Befreiung dachte … der nichts anderes ersehnte als die Freiheit des Zaren … der alles tat … der in der Todeszelle lag … Euer Gnaden, was soll ich noch sagen?«
    »Nichts!« Die Stimme Karsanows war kalt. »Das Todesurteil wird vollstreckt!«
    Gurjew senkte den Kopf. »Ich bitte um mein Leben, Euer Gnaden. Ich bitte um einen Aufschub der Vollstreckung«, sagte er heiser. »Geben Sie mir die Gnade, meine Unschuld zu beweisen.« Einen Augenblick dachte er daran, von Nadja und dem Kind zu sprechen, sie als Zeuge aufzurufen, daß die Brillanten der Zarin ihm das Leben von Minajew abgekauft hatten. Aber dann schwieg er. Das Gesicht Karsanows ließ keine Gnade erwarten. Sollte er Nadja in den Strudel hineinziehen, in den er selbst geschwommen war? Das Leben würde für Nadja Gurjewa weitergehen … sie hatte Rubel und Dollar, sie hatte noch genug Perlen und Edelsteine in den Nähten ihrer Kleider. Vor ihr lag der Hafen, fuhren die Schiffe in die Freiheit, öffnete sich eine friedlichere Welt.
    Leb wohl, Nadjuscha … leb wohl, Helena … mit vier Tagen verlierst du deinen Vater. Niemand wird dir einmal sagen, wie er aussah, denn es gibt nur ein Bild von ihm, und das trägt deine Mutter in ihrem Herzen.
    Nadjuscha! Wenn du es jemals kannst … verzeih mir …
    »Ich bin bereit, Euer Gnaden!« sagte Gurjew.
    General Karsanow hob die Augenbrauen. Er sah Gurjew lange an, dann schellte er mit einer silbernen Glocke. Zwei Hauptleute traten ein.
    »Der Gardehauptmann Gurjew hat Arrest, bis weitere Befehle kommen!« Und leiser, für Gurjew bestimmt: »Ich werde Koltschak telegrafieren und ihn fragen. Abtreten!«
    Vier Tage wartete Nikolai, dann war es entschieden. General Karsanow kam selbst zu ihm. Gurjew sprang auf und nahm Haltung an.
    »Nikolai Gurjew!« sagte Karsanow abgehackt. »Machen Sie sich bereit.«
    Gurjew überlief ein Zittern. »Ich werde erschossen?« fragte er leise.
    »Kommen Sie endlich!« Karsanow trat von der Tür weg.
    »Ich bitte um die letzte Auszeichnung, Euer Gnaden, mir einen Revolver zu geben und mir selbst das Urteil zu überlassen …«
    Karsanow schob die

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