Die Tochter des Teufels
Schlittenhund … Nadja, meine Nadja …« Er weinte laut, lehnte den Kopf an die Schulter des Grafen und tappte weiter … gezogen von den Ketten, gestoßen von den Nachfolgenden, angeschrien von den Wachmannschaften.
Nadja hatte sich in die Lederriemen gelegt, als Gurjew an ihr vorbei war. Sie zog den Schlitten hinter sich her, und es ging leichter, als sie geglaubt hatte.
Noch einmal schrie Gurjew laut auf. »Nadja! Bleib bei unserem Kind! Nadja!« Aber sie schien ihn nicht zu hören … sie lächelte ihn an, als sich ihre Blicke trafen, sie nickte ihm mit schweißglänzendem Gesicht zu, und ihre schlanken Beine in den dicken Filzstiefeln stemmten sich in den Schnee und hielten Schritt mit der Kolonne der Verlorenen.
Bis gegen Mittag marschierten sie ohne Unterbrechung. Von den Bergen des Sichote-Alin heulte der Eiswind und trieb den Schnee in dicken Nebeln über den grauen Wurm der angeketteten Männer. Die Kälte fraß sich in die Kleidung, die Eisenbänder an den Handgelenken knirschten.
Gegen Mittag, in einer Erdfalte, hielt der Zug an. Die vorausgefahrenen Troikas hatten schon Feuer entzündet … aus den Kesseln zog der Duft von Kascha über die Elenden. Ein paradiesischer Duft! Die Ketten klirrten plötzlich heller, die Gesichter verloren ihre Starrheit.
Nadja zog ihren Schlitten etwas abseits von den Sträflingen an eine Hügelwand, klopfte den Schnee aus ihren Kleidern und begann die gefrorenen Stricke aufzuschnüren, um an ihr Essen zu kommen. Eine Schneewelle überspülte sie plötzlich, sie hob schützend die Hand und fuhr herum. Hinter ihr sprang Oberst Sinjew vom Pferd.
»Nadja Gurjewa …«, sagte er heiser. »So geht das nicht. Wir sind nun fünf Stunden gelaufen … und vor uns liegen acht Wochen! Es ist vollkommen unmöglich, daß Sie mit Ihrem Schlitten nebenher ziehen. Dieser Anblick ist einfach unerträglich, auch wenn Sie nur die Frau eines Lumpen sind! Ich verbiete es Ihnen!«
Nadja Gurjewa setzte sich auf ihren Schlitten und faltete die Hände.
8
Oberst Sinjew hieb mit der Reitpeitsche nervös gegen seine vereisten hohen Stiefel.
»Hier sitze ich, und hier bleibe ich!« sagte Nadja fest. »Rufen Sie Ihre Kosaken, daß sie mich wegtragen, spannen Sie Pferde vor meinen Schlitten und lassen Sie ihn wegziehen … es gibt kein Gesetz, das einer Frau verbietet, neben ihrem Mann durch das freie Rußland zu ziehen, auch wenn dieser Mann ein Sträfling ist!«
»Sie mißverstehen mich, Nadja Grigorijewna.« Oberst Sinjew sah zurück zu den Lagerfeuern. Die Kolonne der Gefangenen hatte sich zu Gruppen aufgeteilt und hockte um die wärmenden, flammenden Holzstöße. Von den Troikas, die auch die Küchen mitführten, brachte eine Abordnung von dreißig Verdammten die steinhart gefrorenen Brote heran.
Nadja folgte dem Blick Oberst Sinjews. Sie sah Nikolai Gurjew an einem der dampfenden Kessel stehen. Eine blecherne Schüssel hielt er hin, wie ein Bettler seine zitternde Hand, und der Koch goß eine Kelle voll Kascha hinein.
»Wenn Sie gestatten, esse ich auch etwas«, sagte sie, aber sie rührte sich nicht, weil sie nicht wußte, was Sinjew befehlen würde. Der Oberst blickte zurück zu ihr.
»Was wollen Sie essen?«
»Ich habe einen Petroleumkocher bei mir. Ich werde ein Stück Fleisch in Schneewasser kochen und getrocknete Kartoffelscheiben hineingeben.«
Oberst Sinjew verzog seinen Mund. Er hieb mit der Reitpeitsche wieder gegen seine Stiefel. Diesmal war es Verlegenheit und Ausdruck eines inneren Kampfes, den er mit sich führte.
»Darf ich Sie bitten, mit mir zu essen?« fragte er dann rauh. »Ich habe in einer Troika decken lassen …«
Nadja sah Sinjew erstaunt an. »Decken lassen? Sind wir in einem Luxusrestaurant auf dem Newski-Prospekt?«
»Kommen Sie! Die Kälte zieht in meine Stiefel. Und ich bitte Sie, sich nicht mehr um den Schlitten zu kümmern. Ich lasse Ihr Gepäck auf einen Wagen umladen. Das war es, was ich Ihnen sagen wollte, Nadja Grigorijewna.«
Oberst Sinjew stapfte voraus durch den Schnee zu den in einem Halbkreis aufgefahrenen Troikas. Nadja folgte ihm … Die Troika, vor der Sinjew stehenblieb, war ausgeräumt. Im Inneren des Wagens war tatsächlich ein Tisch aufgestellt, mit einem weißen Tischtuch bedeckt, Porzellangeschirr und Gläser standen darauf, sogar vier gefaltete Servietten. Silberbestecke glitzerten in der kalten Sonne. Sinjew machte eine Handbewegung.
»Darf ich Ihnen meine Offiziere vorstellen, Nadja Gurjewa«, sagte er. »Oberleutnant Lomonow
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