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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Leutnant Narsochin.« Die beiden Offiziere grüßten, als käme eine der Großfürstinnen zu Gast. »Wir haben ein gekochtes Huhn mit Safranreis und gezuckerte Himbeeren als Nachtisch. Ich hoffe, Sie essen Safranreis, Madame.«
    »Sehr gern.« Nadjas Kehle war wie zugeschnürt. Sie wußte hinter sich Nikolai im Schnee hocken, der den dicken Kascha mit einem Blechlöffel aß. Sie wußte, daß er zu ihr hinüberstarrte und daß er sehen würde, wie sie am weißgedeckten Tisch das dampfende Hähnchen aß. Eine Ordonnanz goß angewärmten Rotwein in die Gläser … aus einem Petroleumofen strömte wohlige Wärme um den Tisch. Oberst Sinjew knöpfte sogar seinen Mantel auf, so warm war es.
    »Bitte Platz zu nehmen«, sagte er höflich. Er wartete, bis Nadja saß, dann klemmte auch er sich auf den Klappstuhl, ihm folgten in der Rangstufe Lomonow und dann Narsochin. Der Koch stampfte von der Küchentroika durch den Schnee, in den Händen eine große Porzellanterrine mit dem gekochten Huhn. Eine zweite Ordonnanz trug die Reisschüssel. Oberst Sinjew hob sein Rotweinglas.
    »Auf den Sieg unserer treuen Truppen!« sagte er. »Auf die Ewigkeit Rußlands!«
    Es war eine gespenstische Mahlzeit, die Nadja mit der Haltung einer Dame, die in Zarskoje Selo unter den Augen der Zarin erzogen worden war, überstand. Nicht einmal sah sie zur Seite, wo Gurjew am Feuer lag und zu ihr hinüberstarrte. Sie schämte sich nicht – aber sie konnte diesen Blick nicht ertragen, der jeden Bissen, den sie zu sich nahm, verfolgte. Und bei jedem Stückchen Huhn, bei jeder Gabel körnigen Safranreises, bei jeder kandierten Himbeere dachte sie: Ich werde dir helfen können, Nikolai. Dies ist der Anfang. Das harte Herz des Oberst Sinjew ist weich geworden – vom Tyrannen wurde er zum Väterchen. Welch ein heimlicher Sieg für uns, Nikolai …
    Nach zwei Stunden zog die Kolonne weiter. Ein weiter Weg war's bis Chabarowsk, wo die Sträflinge verladen werden sollten, falls dann noch Züge nach Tschita fuhren.
    Nach einiger Zeit verließ Oberst Sinjew die klirrende Kolonne und ritt im Galopp den Troikas nach. Er erreichte sie nach einer halben Stunde und ritt an den Wagen heran, in dem Nadja auf einer Matratze saß.
    »Alles wohlauf, Nadja Grigorijewna?« rief Sinjew und beugte sich unter die Plane, die man zum Schutz Nadjas über die Troika gespannt hatte.
    Nadja nickte. »Sie sind ein Kavalier, Oberst«, sagte sie. »Aber ich fühle mich elend. Ich sehe Nikolai nicht mehr …«
    »Sie werden ihn lange genug sehen, wenn er den Marsch übersteht!«
    »Er muß zu Fuß gehen, und ich reise warm unter Pelzen wie eine große Dame. Das bedrückt mich …«
    Oberst Sinjew wischte sich über sein gerötetes Gesicht. Die Atemwolken seines Pferdes umwehten ihn. »Gönnen Sie sich diesen Luxus, Madame!« rief er und bemühte sich, in gleicher Höhe mit der Troika zu reiten. »In Ust-Tschenaja werden Sie Ihre Kräfte gebrauchen müssen! Dort hilft Ihnen niemand! Es wird eine furchtbare Zeit kommen …«
    Am Abend erreichten sie eine kleine Poststation, ein Dorf, wo man früher die Pferde der Kutschen wechselte. Das Tagesziel, auf den Karten genau eingezeichnet, war erreicht. Der Posthalter, ein alter Mann mit geschlitzten Augen und einem breiten Schädel, hatte alles vorbereitet, so gut er es konnte. Vierhundert Sträflinge und eine Kompanie Soldaten, wo sollte man die unterbringen? Und so hatte er zwei Ställe für die Soldaten und eine Scheune für die Sträflinge geräumt und hoffte im übrigen auf die Gnade Gottes und auf einen halbwegs vernünftigen Kommandanten des Zuges.
    Sinjew besichtigte Ställe und Scheune, fand sie gut und ließ seine Kolonne einrücken.
    Bevor Nadja im Hinterzimmer des Posthalters unter ihre Felldecken kroch, versuchte sie, Nikolai zu sehen. Aus dem Fenster kletterte sie und schlich sich an den Holzstapeln vorbei zur Scheune. Doch bevor sie die Tür erreichen konnte, hielt sie eine Stimme fest.
    »Das sollten Sie nicht tun, Nadja Grigorijewna!« sagte jemand hinter ihr. »Zwingen Sie mich nicht, auch Sie wie eine Gefangene zu behandeln.«
    Nadja blieb stehen und drehte sich langsam um. »Sie sind wohl überall, Oberst Sinjew?« sagte sie entmutigt.
    »Es wäre gut, wenn Sie das beherzigten, Madame. Ich habe hundert Augen, wenn ich im Dienst bin.« Sinjew machte eine kleine Verbeugung. »Außerdienstlich habe ich nur zwei Augen, und sie gehören vor allem einer schönen Frau …«
    Wortlos wandte sich Nadja ab und ging zurück zur

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