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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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einen Seitenblick zu. Sein Witz und seine nonchalante Art zu plaudern waren von einer Anspannung überschattet, die nicht nur eine Folge der durchlittenen Strapazen zu sein schien. Aber wem konnte sie sich darüber anvertrauen?
    Â»Dieser Garten hätte Plinius alle Ehre gemacht.« Alberto Mari deutete auf die Beete in Form von Kreisen, Dreiecken und anderen geometrischen Spielereien.
    Â»Plinius?«
    Â»Gaius Plinius, ein römischer Gelehrter. In seinen Schriften beschreibt er seine Villa in Tuscien und den idealen Garten. Die Beete, das Rasenstück dort vorn mit dem Buchs in Tierform, der wogende Akanthus – so stellte er sich den Paradiesgarten vor.«
    Der würzige Duft von Lorbeer stieg Beatrice in die Nase. »Das Paradies, ja, so würde ich es mir auch vorstellen.«
    Â»Jetzt haben wir nur von mir gesprochen. Wie geht es Euch und Eurem Mann? Ich habe ihn noch nicht gesehen.« Als er ihre unmutig gekrauste Stirn sah, tat es ihm leid, das Thema gewechselt zu haben.
    Â»Federico kommt bald nach. Geschäfte halten ihn noch in Lucca. Meinen Eltern geht es gut. Zur Geburt werden sie wieder hier sein.« Sie lächelte zaghaft und strich über ihren Bauch.
    Â»Die Schwangerschaft scheint Euch gut zu bekommen, jedenfalls macht sie Euch noch schöner. Dieses eine Mysterium habt ihr Frauen uns Männern auf ewig voraus. Ist es nicht wundervoll, wie das Leben in Euch heranwächst?«
    Â»Einerseits ja, andererseits fürchte ich mich vor der Geburt. Vergesst nicht, dass viele Frauen sie nicht überleben.«
    Â»Das Leben ist so kostbar …«, sagte er mehr zu sich selbst und richtete den Blick auf den Horizont, der in der Dämmerung verschwand.
    Â»Ihr habt Euch verändert, Alberto. Es scheint, als trüget Ihr einen Marmorquader und würdet von seinem Gewicht erdrückt.«
    Er schenkte ihr einen traurigen Blick aus seinem gesunden Auge, doch er sagte nichts.
    Â»Ihr seid unser Gast, solange es Euch beliebt.« Auch wenn er ihr den Grund seines Kummers nicht verraten würde, so freute sie sich über seine unverhoffte Anwesenheit, war er doch ein Freund ihrer Eltern, die sie mehr und mehr vermisste.
    Â»Meinen aufrichtigen Dank, Madonna.«
    Der Sekretär verneigte sich vor ihr.
    Â 
    Einige Tage nach Alberto Maris Ankunft traf auch Federico ein. Obwohl er die Stute seines Bruders mitgebracht hatte und täglich mit ihr ausritt, war er schlecht gelaunt und mürrisch. Er tolerierte Maris Anwesenheit, brachte dem Gelehrten aber kein Interesse entgegen. Bei den wenigen gemeinsamen Mahlzeiten erfuhr Beatrice nur, dass Alessandro erneut in finanziellen Schwierigkeiten steckte und das Familienunternehmen dadurch in eine ernsthafte Krise zu gleiten drohte. Aus nichtigen Gründen fuhr Federico die Dienerschaft an, rügte sogar Ricardo und duldete nur Andrea längere Zeit um sich. Jedes Mal, wenn Beatrice das hochmütige Gesicht des schönen Andrea sah, wurde ihr übel. Unter diesen Umständen zog sie die Gesellschaft des päpstlichen Sekretärs vor, auch wenn Mari seit seiner Entführung verändert und ernst war.
    Während stundenlanger Spaziergänge durch den Garten und die Parklandschaft ermunterte Beatrice den Gelehrten, über seine Studien zu plaudern, und erfuhr, warum Salutati ein Buch über die allegorische Bedeutung des Herkules-Mythos geschrieben hatte – um zu zeigen, dass heidnische Formen durchaus christliche Bedeutungen in sich bergen können -, oder sie diskutierte mit Mari, ob Botticellis Werk »Pallas bändigt den Kentauren« die Zähmung der Leidenschaften durch die Weisheit darstellen soll.
    Â»Warum wird die eigentliche Bedeutung von Gemälden oder Traktaten versteckt, wo doch nicht jeder den wahren Sinn ergründen kann?«, fragte Beatrice und ließ sich auf einer Bank neben dem Fischteich nieder. Sie liebte den kleinen Teich mit Zierfischen, in dessen Mitte eine Enteninsel lag.
    Â»Warum verstecken wir Wahrheiten? Warum sagen wir oft nicht, was wir wirklich denken? Weil es Regeln und Umstände gibt, die uns daran hindern. Und …« Mari lächelte und warf ein Stück Brot in den Teich, woraufhin sich die Wasseroberfläche kräuselte und die Fische nach dem Brocken schnappten. »Kunst wäre nicht Kunst, wenn sie eindimensional wäre und einfach zu durchschauen. Ist es nicht reizvoll, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Botticelli sich der Mythologie

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