Die Tochter des Tuchhandlers
Haare. Die schmalen Lippen unter der langen Nase lächelten Beatrice herzlich an. »Wie schön, dass Ihr gekommen seid!«
Die Marchesa gab ihrer Dienerin ein Zeichen mit einer kleinen beringten Hand, woraufhin diese Ines etwas zuflüsterte und mit ihr den Salon verlieÃ. »Wollen wir durch den Garten spazieren? Die Rosen blühen herrlich dieses Jahr. Ich liebe ihren Duft und das Rosenwasser, das wir aus ihren Blättern gewinnen.«
Beatrice folgte der Marchesa nach drauÃen. Prächtige Springbrunnen mit Delphinen und Zentauren und ein über Treppen herunterplätschernder Wasserfall dominierten den vorderen Teil der Grünanlagen. Steinerne Balustraden mit mächtigen Vasen flankierten die Mittelachse. Dieser Garten diente einzig dem Zweck, seine Besucher zu beeindrucken. Beatrice vermisste Intimität und zufällig wirkende Verspieltheit kleiner Arrangements. Aus einem Pavillon erklang Gelächter, und Connuccis Sekretär Averardo kam auf das Haus zugelaufen.
Bernardina verzog den Mund. »Die Freunde meines Mannes. Aber Ihr kennt sie so gut wie ich, nicht wahr? SchlieÃlich seht Ihr meinen Gatten fast so häufig bei Euch wie ich den Euren hier.« Sie zeigte auf einen schmalen Weg. »Hier entlang.«
»Wenn Ihr Rodolfo da Sesto und Eredi Vecoli meint, ja, die finden sich tatsächlich des Ãfteren bei uns ein. Habt Ihr vom Unglück Alberto Maris gehört?« Sie folgte Bernardina durch eine eiserne Pforte in einen von Mauern umschlossenen Garten.
»Unser giardino segreto . Riecht Ihr die verschiedenen Blumen?« Verzückt betrachtete Bernardina die Beete, deren bunte Farben Insekten und Schmetterlinge gleichermaÃen anzogen. Nachdem sie sich auf einer Bank niedergelassen hatte, legte sie die Hände in den Schoà und sagte: »Eine seltsame Geschichte ist das mit Alberto, eine seltsame Geschichte â¦Â«
Beatrice erspähte einen Durchgang an einem Ende des rechteckigen Gartens, der in eine Grotte führen mochte. »Er weià selbst nicht, warum er entführt wurde und wer dahintersteckt. Es hängt mit dem Mord an Agozzini zusammen.« Und mit dem Brief, aber darüber schwieg Beatrice.
Ihre Augen mit der Hand vor der Sonne schützend, sah Bernardina sie prüfend an. »Der päpstliche Legat wurde im Januar ermordet. Warum denkt Ihr, dass dieser Mord derartig weitreichende Folgen hat?«
Etwas in Bernardinas Stimme riet Beatrice, auf der Hut zu sein. Vielleicht plauderte Bernardina nur gern, doch sie war eine andere Frau als die lebenslustige Ortensia oder ihre Tanten. »Ich weià nicht, es scheint mir nur einleuchtend, da Alberto Mari doch der Sekretär von Flamini ist und mit einem klaren Auftrag nach Lucca gesandt wurde.« Sie konnte Bernardina nicht den Inhalt des Briefes anvertrauen, weil sie nicht wusste, auf welcher Seite die Marchesa stand.
»Wenn Ihr den guten Mari lange genug verköstigt habt, schickt ihn ruhig zu mir. Ich könnte Unterhaltung gebrauchen, auÃerdem habt Ihr doch jetzt einen Maler dort. Oh, dann könntet Ihr Alberto wirklich zu mir schicken!« Bernardina lachte und tätschelte Beatrices Arm. »Was bleibt uns Frauen sonst, auÃer einer geistvollen Unterhaltung?«
Unangenehm berührt senkte Beatrice den Blick.
»Ihr müsst nicht denken, dass Ihr die Einzige seid, deren Ehemann die Gesellschaft seiner Freunde und Geliebten der Eurigen vorzieht. Madonna, ich weià genau, wie es in Euch aussieht. Als ich das erste Mal schwanger war, hatte ich gehofft, das Kind würde meinen Gatten für mich einnehmen, trotz meines unzulänglichen ÃuÃeren.«
»Aber â¦Â«, wollte Beatrice einwenden, doch Bernardina fuhr ungerührt fort.
»Ihr müsst mich nicht trösten. Ich weiÃ, wie ich aussehe und wie mein Gatte aussieht. Er hat mich meines Namens wegen geheiratet und wegen der Verbindungen, die meine Familie nach Rom hat. Die Ehe ist ein Geschäft, aber leider lernt das Herz langsamer als der Verstand.« Schmerzliche Erfahrung und Bitterkeit sprachen aus Bernardina Chigis Augen, als sie Beatrice anblickte.
»Bei unserer ersten Begegnung war ich von seiner Schönheit geblendet. Ich war sechzehn Jahre alt, als ich mein Elternhaus verlieÃ, ein unerfahrenes Mädchen, das Sonette schrieb, Griechisch sprach und von Rittern träumte.«
Bernardina schaute jetzt auf die Blumen vor ihnen, deren Farbenpracht in der Sonne flirrte. Ihre
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