Die Tochter des Tuchhandlers
Onkel erzählt so dies und jenes von Flamini und seinen kleinen Intrigen, und ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht für Euch bei ihm ist.«
»Nein, ja â¦Â«, stotterte er und überlegte fieberhaft, was sie von ihm wollte.
»Aber ich mache Euch nervös. Das möchte ich nicht. Ich bin nur furchtbar neugierig und dachte, vielleicht wisst Ihr mehr über die Umstände von Agozzinis Tod. Die Sache beschäftigt mich bis heute, wisst Ihr. Ein päpstlicher Legat war vielleicht in geheimer Mission in Lucca. Das wäre doch denkbar, nicht wahr?«
Sie war nur neugierig, beruhigte sich Mari. »Denkbar wäre das, Marchesa, aber selbst wenn ich mehr wüsste, was nicht der Fall ist, dürfte ich nichts sagen.« Er hatte völlig vergessen gehabt, dass ein Zweig der Familie Chigi in Rom lebte. »Ich bin nur ein kleiner Sekretär, ein ganz kleines Rädchen im päpstlichen Getriebe.«
Bernardina zwinkerte ihm zu. »Es würde mir nicht einfallen, Euch zu unterschätzen, Alberto.«
Als eine Dienerin mit einer Nachricht des Marchese kam, die Bernardinas Anwesenheit im Haus erforderte, war Alberto erleichtert. Die Marchesa war zu klug, als dass sie ein Gespräch ohne Hintergedanken auf ein bestimmtes Thema lenkte, und er nahm sich vor, sich in Zukunft bei ihr vorzusehen.
XX
Die Toten am Cisapass
Das eine Gute hat beständiges Unglück,
dass es diejenigen, die es oft heimsucht,
zuletzt abhärtet.
(Seneca)
Â
Giulias Geburt erhob Beatrice für kurze Zeit zum gefeierten Mittelpunkt der Familie. Nach und nach kamen Lorenzas Verwandte zu Besuch und überhäuften Mutter und Kind mit Geschenken. Ortensia brachte ein desca di parto , das traditionelle Geburtstablett, auf dessen Unterseite der »Triumph der Liebe« gemalt war. Sie kicherte, wie immer, wenn Beatrice sie sah, und flüsterte: »Ihr seht sehr blass aus. Aber ganz so furchtbar, wie man erzählt, war es nicht, oder?«
»Schlimmer«, sagte Beatrice trocken und verzog das Gesicht, weil die immer noch nässende Narbe pochte.
»Oh. Ihr scherzt doch nur?« Sie zupfte an ihren wippenden roten Locken und trat unruhig von einem Bein aufs andere.
»Ganz und gar nicht.«
»Ja, na ja.« Sie wirbelte herum und ging zum Fenster. »In der Villa wimmelt es wie in einem Bienenstock. Ich bin gern hier. Vielleicht werden wir zu den Connuccis eingeladen. Ich habe gehört, dass die Marchesa kommt. Heute oder morgen. Sie ist so exquisit gekleidet. Darüber könnte man direkt übersehen, wie hässlich sie ist, das arme Ding.«
»Hört auf, Ortensia! Die Marchesa ist eine wunderbare Frau, und ich schätze sie sehr. Ein hübsches Lärvchen allein bedeutet nicht alles.« Verärgert legte Beatrice das Tablett zur Seite.
Die Tür wurde aufgestoÃen, und zwei Mädchen und ein Junge kamen herein, gefolgt von einer entnervten Dienerin, die sich bei Beatrice entschuldigte und die Kinder wieder hinausscheuchte. Ihre Nichten und Neffen rannten durch das gesamte Haus und stürmten manchmal auch in ihr Zimmer, obwohl man es verboten hatte.
»Seht nur, da unten ist ein richtiger Aufruhr! Ich muss nachsehen, wer da schon wieder angekommen ist. Ich komme zurück und berichte Euch jede Einzelheit, versprochen!« Ortensia raffte ihre Röcke und eilte hinaus, sichtlich froh, einen Grund gefunden zu haben, um sich weiteren peinlichen Wortwechseln mit Beatrice entziehen zu können.
Für einige Minuten war Beatrice allein, was seit der Geburt selten vorkam. Ansari schaute regelmäÃig nach ihr und zeigte sich bei dem leisesten Anzeichen von steigender Temperatur besorgt. Die Operationsnarbe heilte nur langsam und platzte bei der geringsten unachtsamen Bewegung wieder auf. Nach Möglichkeit sollte sie jeden Hustenreiz unterdrücken und weder lachen noch weinen, eben alles vermeiden, was zu einer Anspannung der Bauchdecke führen konnte. Ansari brauchte es nicht zu sagen, Beatrice wusste auch so, dass sie nach der lebensbedrohlichen Geburt keine weiteren Kinder würde haben können. Irgendwann würde Federico erkennen, dass er von ihr keinen Erben erwarten konnte, aber daran mochte sie jetzt nicht denken.
Ungeduldig sah sie zur Tür, die sich gleich öffnen musste, denn es war Zeit für Giulias Nachmittagsschlaf. Beatrice hatte darauf bestanden, dass die Amme jedes Mal, wenn es ans Füttern oder Schlafengehen ging, mit Giulia
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