Die Tochter des Tuchhandlers
spazierte an einem boschetto aus Buchs und Birken vorbei, aus dem in diesem Moment ein Schrei erklang. Als er näher trat und zwei verschwitzte Reitpferde entdeckte, die grasend neben den Bäumen standen, wollte er schnell weitergehen, konnte jedoch nicht verhindern, einen Blick auf entblöÃte Brüste und einen Männerhintern zu erhaschen, der sich in staccatoartigem Rhythmus hob und senkte. In der Hoffnung, dass das Paar zu sehr mit seiner Lust beschäftigt war, um ihn zu bemerken, eilte Mari über den Rasen auf die Villa zu.
Fast hätte er das Gebäude ohne weitere Störungen erreicht, doch kurz vor den Treppenstufen winkte ihm die persönliche Dienerin der Marchesa zu. Das junge Mädchen stammte aus Siena und war hübsch, wenn auch keine auffällige Schönheit. Soweit Mari gehört hatte, war sie eine entfernte Nichte der Marchesa aus einem verarmten Zweig der Familie und sollte im nächsten Sommer verheiratet werden. Der Sekretär setzte ein freundliches Lächeln auf. »Ihr sucht mich?«
»Ja , segretario . Die Marchesa wünscht Euch im limonaia zu sprechen.« Das Mädchen raffte die dünnen Röcke und schritt anmutig vor Mari her.
Heute schien ihm nichts erspart zu bleiben.
Bernardina Chigi stand in einer Ecke des langgestreckten Gewächshauses, in dem im Winter die Zitronenbäume aufbewahrt wurden. Jetzt bestach die übersichtliche Architektur des Gebäudes mit Mamorbänken entlang der Wände, schlichten Säulen und gefegten Terrakottafliesen, auf denen noch Abdrücke der Pflanzenkübel zu sehen waren. »Tretet näher, Alberto.«
Die vertrauliche Anrede verhieà nichts Gutes. »Marchesa?«
»Ich weià nicht so recht, wo ich anfangen soll, mein lieber Freund. Es tut mir sehr leid, dass Beatrice eine derart schwere Geburt hatte. Ich mag sie sehr.« Bernardina hatte ein anderes Kleid angezogen, und in den frisch frisierten Haaren schimmerten perlmuttbesetzte Kämme. Als überlege sie, wie sie den nächsten Satz beginnen sollte, drehte sie an den Ringen an ihrer Hand. »Wie gesagt, ich kann mich keiner langjährigen Freundschaft mit Beatrice rühmen so wie Ihr, denn Ihr seid ja mit den Rimortellis seit vielen Jahren bekannt, aber ich habe sie liebgewonnen.« Ihre Augen fixierten Mari.
Argwöhnisch drehte er das Buch hin und her.
»Es ist Euch nicht entgangen, was in der Villa vor sich geht?«
»Wie bitte?«
Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ihr seid ein Geistlicher, aber doch ein aufmerksamer Mann. Nicht dass der geistliche Stand seine Vertreter vor der Fleischeslust bewahrt â¦Â« Sie räusperte sich. »Ich meine Beatrices Gatten. Er betrügt sie ganz ungeniert mit dieser Hure! Vor aller Augen, und mein Gemahl duldet es, oder wahrscheinlich teilen sie sich diese Schlampe!« Für einen Moment zeigte die Marchesa das verletzte Antlitz einer betrogenen Gattin. Ihre Augen sprühten vor Zorn, doch sofort gewann ihre Selbstbeherrschung die Oberhand. »Kein Mensch ist ohne Fehl, auch ich nicht, Alberto. Aber Beatrice ist eine reine, unschuldige Seele, die unverdient leiden muss. Ich war selbstsüchtig, weil ich Euch hierher eingeladen habe, vielleicht besucht Ihr Beatrice und heitert sie auf. Ihr darf nichts geschehen!«
Unsicher sagte er: »Natürlich nicht. Der persische Medicus kümmert sich hervorragend um sie.«
»Um ihre Gesundheit, aber wer sorgt sich um ihr Seelenheil?« Bernardina rang die Hände. »Alberto, ich hoffe sehr, dass die Nachrichten, die ich gehört habe, falsch sind.«
»Aber welche denn, Marchesa?«
»Eine Reisegruppe mit deutschen und italienischen Kaufleuten ist in der Nähe des Cisapasses überfallen worden, und es heiÃt, eine Familie aus Nürnberg war darunter.«
»Das wäre nicht auszudenken, Jacopino und Margareta könnten â¦Â«
»Und dann wollte ich noch fragen, ob Ihr in letzter Zeit Nachricht aus dem Vatikan erhalten habt? Was treibt Flamini, der alte Geheimniskrämer?«
Erschrocken lieà Alberto Mari sein Buch fallen. »Wie kommt Ihr ausgerechnet auf Flamini?«
»Ach wisst Ihr, mein Onkel lebt in Rom. Wir Chigis haben überall Freunde. Das ist sehr wichtig in schwierigen Zeiten wie diesen.«
Ihr Lächeln erschien ihm auf einmal wie eine Maske.
Sie bückte sich und hob sein Buch auf. »Hier, Alberto. Ihr seid wirklich kein Mann für die Politik. Mein
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