Die Tochter des Tuchhandlers
haben. Tut mir nur leid, dass Ihr da mit reingezogen werdet.«
»Hast du mein Kind gestillt? Schläft es bereits? Gib es mir!«
Schwerfällig erhob sich die Amme. Ihre Kleidung war einfach und an vielen Stellen geflickt, aber sauber. Vorsichtig drückte jemand die Tür auf. Braungebrannt und wohlgenährt kam Alba mit einem runden Bündel auf dem Arm herein. »Ich habe ein Geschenk für Euch, Madonna.«
Sie sah zu, wie die Amme Beatrice das schlafende Kind mit säuerlicher Miene übergab. »Hier habt Ihr Eure Tochter. Ich weià nicht, warum Ihr so ein Aufhebens darum macht. So ein Kind macht nur Arbeit.«
Beatrice überhörte das Genörgel der Frau und sah stattdessen verzückt in das zufriedene Gesicht des schlafenden Säuglings, der gleichmäÃig atmete und nur manchmal mit den Lippen schmatzte. Wie ein kleines Vögelchen, fand Beatrice und streichelte das warme Wesen auf ihrer Brust.
Alba stand wartend daneben und starrte auf den Säugling, der alle Aufmerksamkeit seiner Mutter hatte. Dann legte sie ihr Bündel auf einen Stuhl. »Das ist ein Käse, den die Ziegenbäuerin gemacht hat. Ich habe ihn bekommen, weil ich die Ziegen jeden Tag auf die Weide geführt habe. Ich wollte Euch ein Geschenk machen.«
»Danke, Alba, das ist ganz reizend von dir«, sagte Beatrice, ohne den Blick von ihrer Tochter zu nehmen.
Für eine Sekunde runzelte Alba die Stirn und schien etwas sagen zu wollen, rannte dann aber einfach aus dem Zimmer.
Die Amme stand mit gefalteten Händen und sagte: »Ich bin froh, dass ich stillen kann, wisst Ihr? Solange ich Milch habe und Kinder säugen kann, lässt mich mein Pietro in Ruhe.« Sie biss sich auf die Zunge, als sie Beatrices verärgerten Blick auffing. »Euch wird Euer Mann auch noch eine Weile in Frieden lassen, so schwach, wie Ihr seid.«
Die Frau mochte einfach sein, aber ihre Sorgen waren Beatrice nur zu vertraut. »Schon gut, balia , hast du genug saubere Kleidung zum Wechseln? Gibt man euch reichlich zu essen?«
»Ja, danke, Herrin. Ich habe vor sechs Jahren ein Kind der Marchesa genährt, weil ihre Amme damals krank war, aber hier gefällt es mir besser. Signor Giorini ist ein feiner Verwalter, nicht so grausam und hinterhältig wie der Mann bei der Marchesa.«
»Wirklich?« Beatrice küsste den Säugling und sog seinen Geruch ein.
Eifrig nickte die Amme. Ihre Haare waren gescheitelt und streng am Hinterknopf aufgesteckt, das breite bäuerliche Gesicht von einem entbehrungsreichen Leben gezeichnet. »Nein, bei der Marchesa war ich nicht gern. Sie ist gerecht und hat gut für mich gesorgt, aber vor ihrem Mann habe ich mich immer gefürchtet, und genauso waren auch die anderen. Wenn die Gesellschaften da waren, nein, das war keine gute Zeit. Ich hatte mich nur um die Kinder zu kümmern und habe Augen und Ohren verschlossen â¦Â« Die Erinnerungen schienen sie noch immer zu quälen.
Neugierig geworden hob Beatrice ihr Kind vorsichtig hoch und gab es der Amme in die Arme. »Ich kenne die Marchesa nur als zurückhaltende Frau. Der Marchese ist ein gutaussehender Mann. Hat er viele Liebschaften?«, versuchte Beatrice die Amme zum Plaudern zu verleiten, doch die machte jetzt ein abweisendes Gesicht.
»Hmm, ja, ja, das hat er, aber da waren noch andere Dinge, über die jemand wie ich nicht spricht. Ich bin nur eine einfache Bauersfrau, Madonna, und verstehe die Spiele der reichen Herrschaften nicht. Also halte ich meinen Mund, sonst geht es mir nachher wie dem Andrea â¦Â« Sie deckte Giulia sorgsam zu und wartete darauf, entlassen zu werden.
»Geh nur, aber schick mir Ortensia herein, wenn du sie siehst.« Ortensia hatte andere Quellen als Ines und konnte ihr vielleicht mehr über Andreas Festnahme sagen.
Was geschah um sie herum? Seit Wochen hörte sie Nachrichten aus zweiter Hand und auch nur das, was man ihr zumuten wollte. Der September war angebrochen, und kein Bote aus Nürnberg! Aber das konnte vorkommen. Botschaften gingen verloren, Boten wurden getötet oder hatten Unfälle. Wie leicht wurde ein Fluss bei Ãberflutung zum reiÃenden Strom. Ein falscher Schritt im Gebirge konnte tödlich enden, ein Pferd sich vertreten und seinen Reiter abwerfen. Alles war möglich. Alles â¦
Energisch ballte Beatrice eine Faust und schlug auf die Bettdecke, ein dünnes Leinentuch. Es wurde Zeit, dass sie nach Lucca
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