Die Tochter des Tuchhandlers
Dann beugte er sich über Beatrice und fühlte ihre Stirn. Die Berührung seiner kühlen Hand war immer wohltuend und nahm Beatrice ihre Angespanntheit. Seine persischen Gewänder verströmten einen leichten Duft von Minze, Lavendel und anderen Kräutern. Wie erbarmungslos die Sonne auch brennen mochte, Ismail Ansari schien es nichts auszumachen, denn auf seiner Stirn zeigten sich selten SchweiÃperlen.
Mit seinem kaum wahrnehmbaren Akzent stellte er die obligatorische Frage: »Wie fühlt Ihr Euch, Madonna?«
Er war durch und durch Arzt, Heiler, ein Mann, der sein Leben dem Kurieren von Krankheiten gewidmet hatte. Wenn er seinen Patienten befragte, war das nie nebensächlich, sondern immer das in diesem Augenblick einzig Wichtige. »Besser, es geht mir täglich besser, und heute verspüre ich keine Hitze. Ich habe kein Fieber, oder?«
Lächelnd nahm er seine Hand von ihrer Stirn und hob dafür ihr Handgelenk auf. Es dauerte endlose Minuten, bis er sacht ihren Arm niederlegte und sie anblickte. »Für das, was Ihr durchgemacht habt, geht es Euch in der Tat erstaunlich gut. Ungeduld ist keine Tugend, schon gar nicht für einen Kranken. Jetzt sehe ich mir die Wunde an.«
Maria kam mit einer dampfenden Schüssel und einem Topf herein, und Ansari wusch sich sorgfältig die Hände, bevor er das Laken nach unten schob, wartete, bis die Dienerin Beatrices Leib entblöÃt und den restlichen Körper bedeckt hatte, und hob dann vorsichtig den Verband an. Damit die mit Arznei getränkten Tücher auf der Narbe hielten, wurden sie mit langen Tuchstreifen um den Körper fixiert. Ansari gab Maria ein Zeichen, und diese hielt B eatrices Körper, damit der Medicus den Verband entfernen konnte. Neugierig betrachtete Beatrice den langen Schnitt, der an den Einstichstellen des Fadens immer noch gerötet war. Ihr Bauch war wieder flach, der Bereich um den Schnitt aber geschwollen und schmerzempfindlich.
Prüfend drückte Ansari auf die Schnittränder, doch auch heute trat gelbliches Sekret aus. »Seht Ihr den roten Bereich um den Schnitt?«
»Ja.«
»Solange die Rötung nicht heller wird und die Wunde ganz geschlossen ist, ist ans Aufstehen nicht zu denken.« Er träufelte eine brennende Flüssigkeit auf die Naht. »Das ist ein Auszug vom Johanniskraut. Man kann auch Ruprechtskraut nehmen, aber das ist besser, wenn die Wunde blutet, und im Moment sondert sich nur eitriges Sekret ab.«
Beatrice sog scharf die Luft ein.
»Es muss brennen, nur dann wirkt es und tötet das Gift in der Wunde ab.« Er nahm einen Löffel Blätter aus dem Topf und legte sie auf eine dünne Schicht Leinenverband, mit dem er die Wunde bedeckte. »Die Schafgarbe hilft gegen die Entzündung. Aufgrund der enormen Tiefe des Schnittes verzögert sich die Heilung, aber wenn es so weitergeht, könnt Ihr in einer Woche Euren ersten Spaziergang machen.«
»Ich kann es nicht erwarten, endlich wieder nach drauÃen zu kommen.«
Ansari lächelte. »Und jetzt trinkt den Hagebuttentee.«
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Als Beatrice am nächsten Morgen erwachte, war sie voller Vorfreude auf den Besuch der Marchesa. Von Ines lieà sie sich die Haare waschen, ein neues Unterkleid anlegen und Hände und Gesicht mit Duftöl einreiben. Umrahmt von einer Fülle lichtheller Locken lag sie in den Kissen und schnupperte in den Windzug, der durch das geöffnete Fenster hereinwehte. »Der Herbst kündigt sich an, und ich kann nicht dabei sein, wenn die Oliven eingebracht werden und der Weizen geerntet wird. Weià du noch, als wir mit meinen Eltern in Gragnano waren und die Bauern foccacini gebacken haben? Dazu wurde fragolo getrunken.«
»Madonna, das waren gute Zeiten.« Die Zofe hielt den Kopf gesenkt. »Alba löchert mich seit Tagen mit der Frage, wie Euch der Käse geschmeckt hat. Ich weià zwar nicht, warum sie Euch nicht selbst fragt, aber sie ist wie eine Zecke, lässt sich nicht abschütteln.«
»Welcher Käse?« Da erinnerte Beatrice sich an den Ziegenkäse, den sie Maria zur Verarbeitung in der Küche mitgegeben hatte. »Sag ihr, er war wunderbar, oder nein, schick sie mir einmal her.«
»Wie Ihr meint.«
Dazu kam es jedoch nicht, denn die Marchesa kündigte sich mit Musikanten und Glockenspiel an. Es dauerte nicht lange, und Bernardina Chigi betrat Beatrices Schlafgemach, gefolgt von mehreren mit Geschenken
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