Die Tochter des Tuchhandlers
Schultern. »Mit den neuen Waffen werden diese Dinger hier bald ganz unnütz sein.« Seine Finger trommelten vielsagend auf dem Metall. »Die Kugeln der Arkebusen durchschlagen das Metall wie Butter.«
»Ja, aber gegen Schwerthiebe und Armbrustschützen sind sie noch immer wirkungsvoll, und so lange werde ich mich damit schützen.«
»Gegen eine giftige Hofnatter nützt so ein Panzer aber auch nichts â¦Â«
»Wir werden nicht länger als unbedingt notwendig hierbleiben. In wenigen Tagen wird die Truppe unter capitano Morelli rebellieren. Er hat kein Gespür für die Männer.«
»Morelli denkt, er ist was Besseres, und das merken sie.«
Tomeo spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und wusch sich notdürftig den Oberkörper. »Heute Abend will ich ein heiÃes Bad. Sag das dem Kämmerer.«
»Ja.« Ein lautes Knurren entfuhr Gian Marcos Magen, der entschuldigend grinste.
Als Tomeo auf dem Weg zu Pescaras Gemächern war, wusste er seinen Burschen bereits über einem Tablett mit fettem Hammelfleisch, Bier und Brot, das man hereingetragen hatte, kurz bevor er selbst abgeholt worden war.
Die U-förmige Konstruktion des Palazzo war einfach, die Architektur massiv, nirgends war die Hand groÃer Künstler zu spüren. In diesem Palazzo hielten seine Besitzer sich nur selten auf, Tomeo hatte gehört, dass Vittoria Colonna, Pescaras Frau, zurzeit in Rom weilte. Ein penetranter Geruch von Blumen und ranzigem Ãl erreichte Tomeos Nase, als Amilcare schwungvoll die Türen öffnete und ihn lautstark ankündigte.
Tomeo fand sich in einem rechteckigen Raum gegenüber einem Esstisch, der für zwei Personen gedeckt war. Durch das rauchige Glas der kleinen, quadratischen Fensterscheiben fiel gedämpftes Licht auf die massive Eichentafel mit sechs Stühlen und eine halb im Dunkeln liegende Ecke, in der Bücherregale die Wände bedeckten und ein Sessel stand. Tomeos Augen hatten sich noch nicht ganz an die spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt, als eine Bewegung in dem Sessel seine Aufmerksamkeit erregte. » Comandante Pescara?«
»Ah, capitano !« Pescara erhob sich langsam und trat ins Licht.
Das letzte Glühen des Sonnenuntergangs brach sich in den Fenstern, und der Markgraf entzündete die Kerzen auf dem Tisch. »Nehmt Platz und greift zu. Ihr müsst hungrig sein nach Eurem Ritt.«
Obwohl Tomeo zutiefst erschrak über Pescaras magere Gestalt, die tiefliegenden Augen und hohlen Wangen, setzte er sich an den Tisch und nahm sich Brot und Pastete. Pescara zog an einer Klingel, und ein Diener brachte Wein und eine Mandeltorte. Pescara schnitt sich ein Stück Kuchen ab und prostete Tomeo zu. »Auf den Kaiser!«
Sie tranken, doch Tomeo fühlte sich beklommen, weil weder in Pescaras Stimme noch in seiner Miene seine sonstige Zuversicht lag. Der Feldherr wirkte resigniert und düster. Sein schwarzer Bart zeichnete sich scharf gegen die wächserne Haut ab, und nachdem er ein Stück Kuchen gegessen hatte, schob er den Teller zur Seite, stand auf und öffnete eines der Fenster. Kühle Abendluft wehte herein, und Pescara schloss die Augen und sog die Luft tief ein. Tomeo wartete. Wo mochte er mit seinen Gedanken sein? Es gab keinen Grund zum Beschönigen, Pescara war ein schwer kranker Mann. Eine weitere Schlacht würde er nicht überleben, und vielleicht bedurfte es nicht einmal einer Schlacht â¦
»Ihr seid schweigsam heute Abend. Fragt Ihr Euch nicht nach dem Grund Eures Hierseins?«
»Doch, und ich denke, Ihr werdet mir sagen, was notwendig ist.«
Pescara lachte leise. »Das mag ich so an Euch, Tomeo â nie zu neugierig, aber immer auf der Hut. Habt Ihr Neues aus Mailand gehört?«
»Nein. Ich weià nur, dass Francesco Sforza mit seinem Kanzler Morone, Guicciardini und den Franzosen in seinem Castello sitzt und das beste Angebot abwartet.«
»Francesco ist ein Narr, wenn er glaubt, die Franzosen würden ihm Mailand zurückgeben.«
»Würde der Kaiser das denn tun?«
Ein zynisches Lächeln umspielte Pescaras Mund. »Der Kaiser ist allzu sehr auf die Erweiterung seiner Ländereien und den Erhalt der spanischen Erblande bedacht. Francesco wird höchstens ein Statthalter, aber das wird ihm natürlich niemand sagen â¦Â«
Tomeo hörte Bitterkeit aus Pescaras Worten, denn Karl V. hatte sich nach dem entscheidenden Sieg bei Pavia
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