Die Tochter des Tuchhandlers
Nicht weinen!« Sofort eilte Ines an ihre Seite, legte den Arm um sie und drückte sie an sich. Liebevoll streichelte sie ihrer Herrin über die Haare. »Erzählt mir, was geschehen ist.«
Schluchzend berichtete Beatrice von der kurzen Begegnung mit Federico. »Ich bin nichts weiter als eine Investition für ihn, genau wie der verdammte Schmuck oder die Kleider, die er mir kauft, damit ich standesgemäà auftreten kann.«
»Hat er Euch geschlagen?«
»Nein.«
»Dann seid dankbar. Es gibt ganz andere Ehemänner. Gebt ihm Zeit, er ist kein schlechter Mann, da bin ich mir sicher. Mit der Zeit werdet Ihr Euch näherkommen. Und wenn erst Kinder da sind, habt Ihr sowieso genug zu tun.«
Ãngstlich strich Beatrice über ihren Bauch. »Kinder. Ich fürchte mich davor, Ines. So viele Frauen sterben dabei. Meine Mutter hat meine Geburt fast nicht überlebt und sich lange nicht von den Strapazen erholt.«
»Wenn die Zeit kommt, werde ich bei Euch sein. Macht Euch darüber jetzt keine Sorgen. Für manche Frauen ist es auch ganz leicht. Meine Schwägerin hat zwölf Kinder zur Welt gebracht und bei jedem bis zum letzten Tag gearbeitet. Wir sollten das dort aufräumen. Wenn die Signora den Schaden entdeckt, wird sie fuchsteufelswild.«
Lorenza Buornardi war eine launische, jähzornige Person, die jeden ihre Macht spüren lieÃ. Sie traktierte die Diener und Mägde mit ständig neuen Anweisungen, und wer nicht zu ihrer Zufriedenheit arbeitete, wurde hart bestraft. Auspeitschungen auf dem Hof fanden wöchentlich statt. Da Beatrice im Haus ihrer Eltern die meiste Zeit im Kontor ihres Vaters oder in seinem studiolo , dem Arbeits- und Studierzimmer, verbracht hatte, wollte sie es hier nicht anders halten. Sollte sich Lorenza um Küche und Dienerschaft kümmern, sie fand die Gesellschaft des alten Buornardi weitaus angenehmer.
Ines sammelte die Bruchstücke des Kästchens vom Boden auf und legte das Collier, das unversehrt geblieben war, auf die Kommode. »Vielleicht hebt Ihr die Reste auf und lasst eine ähnliche Schatulle anfertigen?«
»Hmm. Wickel es in ein Tuch und leg es dorthin. Waren heute nicht die Frauen eingeladen?«
Eilig verstaute Ines das Tuch mit den Splittern und Bruchstücken in der obersten Schublade der Kommode. »Madonna, ja! Wir müssen Euch umkleiden. Ihr werdet im gelben Salon erwartet, wo man Euch Geschenke überreichen will. Ein gelber Salon! Phh, was für Albernheiten â¦Â« Die beiden Frauen gingen ins Nebenzimmer. »Es hört gar nicht auf zu schneien. Dieses Jahr werden wir den Winter überhaupt nicht mehr los. Warum zieht Ihr nicht das hier an? Es ist warm und lässt Euch vornehm aussehen.« Ines reichte Beatrice ein Ãberkleid aus dunkelbraunem Brokat. Ränder und Ãrmel hatten eine weiche Borte aus Nerzfell. Zusammengehalten wurde das Kleidungsstück von einem schmalen Ledergürtel mit Silberbeschlägen.
Auf ihrem Weg ins Erdgeschoss kam Beatrice an Federicos Zimmern vorbei. Die Tür zu seinem studiolo stand offen, und sie trat kurz ein. Regale voller Bücher und ein groÃer Globus fielen Beatrice ins Auge. Federicos junger Diener Andrea eilte mit einem Wäschebündel auf den Armen an ihr vorbei, nachdem er sie mit einer leichten Verbeugung begrüÃt hatte. Ob er gesehen hatte, dass sie in Federicos studiolo gewesen war, konnte sie nicht sagen. Immerhin hatte ihr niemand den Zutritt zu bestimmten Räumen untersagt.
Beatrice ging weiter, die Hände tief in die weiten Ãrmel ihres Ãberkleids geschoben, denn Kohlenbecken erwärmten die Flure nur unzureichend. Die Feuchtigkeit, die in den dicken Mauern aller Stadthäuser steckte, wurde besonders in der kalten Jahreszeit zu einer Plage. Im Grunde war ein kleineres Haus wie das ihrer Eltern angenehmer zu bewohnen, dachte Beatrice, während sie an Gästezimmern und Bibliothek vorüberging.
Im Hof des Palazzo stand ein Karren, dessen Kisten und Säcke gerade von Knechten abgeladen und in die Vorratsräume gebracht wurden. Für groÃe Stallungen war in den Stadtpalästen kein Raum, doch vor dem dreibogigen Durchgang zum Garten sah Beatrice zwei braune Pferde, die zum Abreiben hineingeführt wurden. Der Garten lag unter einer Schneedecke begraben. Seufzend ging Beatrice an der Küche vorbei zurück ins Haus. Die Tür zu einem der kleineren Kontore stand offen, und sie vernahm
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