Die Tochter des Tuchhandlers
Distrikt Parione. In dem StraÃengewirr, das von der Piazza Navona wegführte, hätte Beatrice sich verlaufen und war froh, dass Baldassares Diener Claudio sie begleitete, der sich in dem Labyrinth aus verzweigten Gassen gut auskannte.
»Das ist es, Signora«, sagte Claudio und hielt vor einer schmutzigen Fassade. Ein Kupferstecher und ein Gewürzkrämer teilten sich das Erdgeschoss. Ein Lumpensammler kam ihnen entgegen, wurde aber von Claudio barsch zur Seite gestoÃen. Der junge Diener wirkte selbstbewusst und trug einen Dolch am Gürtel.
»Hoffentlich hat sie genügend Geld, dass sie sich die neuen Tücher auch leisten kann«, meinte Beatrice zweifelnd.
Claudio grinste. »In dem Gewerbe wird mehr Geld verdient, als Ihr glaubt, Signora. Der Herr hat schon viele gute Aufträge von Kurtisanen erhalten, und bisher haben sie immer pünktlich bezahlt. Besser als manch vornehmer Conte aus dem Rione Ponte.« Ihr Onkel vertrieb Stoffe nicht nur als GroÃhändler, sondern lieà auf Wunsch auch Wandbehänge, Vorhänge und Bespannungen für Baldachinbetten anfertigen.
Der Eingang zu den Räumen der Kurtisane befand sich in einem kleinen Hof zwischen den Häusern.
»Wer ist die Frau? Ist sie schon lange in Rom?«, fragte Beatrice, während sie darauf warteten, dass ihnen geöffnet wurde.
Claudio zuckte mit den Schultern. »Kann ich nicht sagen, Signora. Es gibt so viele. Zu den Berühmten gehört sie nicht, aber sie soll sehr schön sein.«
Sie hörten, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde, dann schwang die schwere Holztür nach innen auf. »Seid Ihr wegen der Stoffe gekommen?«, fragte eine ältere Magd und lieà sie eintreten.
»Ja, wir kommen von Signor Caprese«, antwortete Beatrice.
»Sie wartet oben auf Euch.«
Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, und Beatrice stieg mit Claudio, der sich die Tasche mit den Musterstoffen über die Schulter geworfen hatte, hinter der Magd ein düsteres Treppenhaus hinauf. Im ersten Stock fiel Licht durch eine unverglaste Fensteröffnung. Das Gemäuer war alt und feucht, und auch zwei Gemälde minderer Qualität konnten dem Haus keine wohnliche Atmosphäre verleihen.
Die Magd stieà eine mit Kupfernägeln beschlagene Tür auf. »Die Leute von Signor Caprese sind da, edle Dianora.«
Claudio räusperte sich abfällig und erntete einen bösen Blick von der Magd. Als sie jedoch in das helle Gemach traten, dessen Mittelpunkt ein riesiges Baldachinbett bildete, verstummte er. Mit dem Rücken zu ihnen saà eine schlanke Frau mit glänzenden schwarzen Locken vor einem Frisiertisch. Ihr tief dekolletiertes Kleid gab im Spiegel den Blick auf einen wohlgeformten Busen frei. Als sich jedoch die Augen der Dianora mit denen Beatrices im Spiegel trafen, entfuhr Beatrice ein Schreckensschrei: »Ihr!«
Marcina Porretta, denn niemand anderes verbarg sich hinter dem Namen der Kurtisane, drehte sich abrupt um und stand auf. »Ja, ich! Das hättet Ihr nicht erwartet, nicht wahr, Beatrice? Rosalba, gib dem jungen Mann etwas zu trinken, und lass ihn die Stoffe im Nebenraum ausbreiten.«
Verdutzt folgte Claudio der Magd.
»Nein, Claudio â¦Â«, wollte Beatrice ihn zurückrufen, wurde aber durch Marcinas höhnisches Gelächter unterbrochen.
»Habt Ihr etwa Angst vor mir? Warum? Seht Euch um. Wir sind allein, nur zwei Frauen, die sich einen Mann geteilt haben.« Sie stand auf und breitete die Arme aus. In einer Hand hielt sie einen geschlossenen Fächer. »Mein Reich! Beeindruckend, nicht wahr? Wenn man bedenkt, dass ich nach Federicos Tod auf mich allein gestellt war.«
Die Möbelstücke waren gediegen, zwei riesige chinesische Vasen und die Skulptur eines Amor zeugten von mehr Vermögen, als das karge Treppenhaus hatte erwarten lassen.
»Habt Ihr gewusst, dass ich bei meinem Onkel lebe und für ihn arbeite?«
»Natürlich. Ich dachte, dies hier wäre eine nette Gelegenheit, sich auszutauschen.« Marcinas schmale Augen lagen kalt auf Beatrice.
»Ich habe Euch nichts zu sagen.« Stolz hob Beatrice den Kopf.
»Ach nein? Ich dachte, Ihr würdet mich beschimpfen dafür, dass ich Eure Tochter nach Rom gebracht habe und Euren Mann zu einem Helden machen wollte.«
»Zu einem Helden? Mein Gott, das könnt Ihr nicht ernst meinen! Einen Verräter und Betrüger habt Ihr aus Federico gemacht. Seine ganze
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