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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Sie wischte sich über den Mund, denn die Erinnerung an die Nacht machte ihr anscheinend noch immer Angst.
    Beatrice drückte währenddessen schluchzend ihre Tochter an sich.
    Â»Dann hat er ihre Sachen durchwühlt, die da in einem Korb liegen, und einen hübschen Umhang mitgenommen. Aus feinstem Seidendamast war das Stück, und der Herr hatte uns verboten, es anzurühren.« Sie nahm Giulias Wäsche aus dem Korb und hielt sie Beatrice hin, die nur den Kopf schüttelte.
    Die verschmutzten Sachen wollte sie nicht haben. Sie hatte genug gehört und verließ die Kammer mit ihrer leise wimmernden Tochter.
    Â 
    Es sollte Wochen dauern, bis Giulia sich von dem Aufenthalt bei den Siebmachern erholt hatte. Schon nach wenigen Tagen jedoch ging es dem Kind deutlich besser, es lachte und strampelte, wenn es seine Mutter sah. Beatrice war überglücklich. Langsam fand sie ihr inneres Gleichgewicht wieder und begann sich um den Haushalt ihres Onkels zu kümmern. Niccolò Boncompagni ließ nach Marcina Porretta suchen, doch die Frau schien wie vom Erdboden verschwunden.
    An einem milden Märzmorgen meldete Sebastiano den Besuch des giudice . Beatrice ging in den Empfangsraum hinunter, wo Niccolò bei einem Becher Gewürzwein auf sie wartete. Bei ihrem Eintreten erhob er sich und lächelte sie an.
    Â»Ihr seid kaum wiederzuerkennen, Madonna Beatrice. Ich nehme an, dass es Eurer Tochter gut geht?«
    Â»Danke, es geht uns beiden wunderbar. Und das haben wir zu einem großen Teil Euch zu verdanken, Ser Niccolò.« Sie trug ein neues Kleid aus dunkelbrauner Seide.
    Niccolò wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und zog ein versiegeltes Schreiben aus seiner Tasche. Während sie das Siegel betrachtete, musterte er sie aufmerksam.
    Errötend legte sie den Brief zur Seite, er war von Tomeo.
    Â»Wollt Ihr ihn nicht öffnen?«, fragte der giudice .
    Â»Später, wenn Ihr erlaubt.« Zärtlich strich sie über das Papier.
    Niccolò sah durch die kleinen, farbigen Fensterscheiben nach draußen und sagte wie nebenbei: »Das Schicksal geht manchmal einen Umweg, bevor es die richtigen Menschen zusammenführt.«
    Eine Weile schwiegen sie, und Beatrice dankte Niccolò im Stillen für seine Zurückhaltung und sein Mitgefühl. Er war Tomeo ein wahrer Freund. »Habt Ihr eine Spur von Federicos Mörder?«
    Â»Nein, und ich glaube nicht, dass wir je eine finden werden. Nach dem, was die Siebmacherfrau Euch gesagt hat, bin ich der festen Überzeugung, dass der Vatikan einen sicario ausgeschickt hat. Von denen geht uns kaum je einer ins Netz. Jede Fährte, die zu Alessandro oder dem Heiligen Vater führen könnte, wird vernichtet sein. Ihr könnt von Glück sagen, dass Eure Tochter am Leben ist und …« Er brach ab.
    Â»Und ich auch? Wolltet Ihr das sagen?«
    Â»Nun, Ihr habt mehr durchgemacht, als manche Frau Eures Standes hätte ertragen können.«
    Â»Ich habe nie daran gezweifelt, dass meine Tochter noch am Leben ist.« Sie lächelte versonnen. »Und ich hätte nicht geglaubt, dass es noch jemanden gibt, für den es sich zu leben lohnt …«
    Â»Ich denke, ich weiß, wen Ihr meint.«
    Nachdem Beatrice den Brief gelesen hatte, wanderten ihre Gedanken wieder zu einer Winternacht in einem Wirtshaus im Casentino. Noch war der Krieg nicht zu Ende, aber sie betete täglich, dass Kaiser und Papst endlich einen dauerhaften Friedensvertrag schließen würden. Tomeos Worte gaben ihr Kraft und die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft.
    Um die Tage im Haus ihres Onkels nicht in Nutzlosigkeit zu verbringen, hatte Beatrice es sich angewöhnt, kleine Botengänge für ihn zu übernehmen. Baldassare handelte wie sein Bruder in Florenz mit Tuchen, und es war Beatrice mit Sebastianos Hilfe gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass sie in seinem Geschäft durchaus eine Hilfe sein konnte. Nachdem sich mehrere Kunden lobend über Stoffe geäußert hatten, die unter Beatrices Aufsicht ausgewählt und bearbeitet worden waren, gestattete ihr Baldassare, sich um einige Aufträge zu kümmern. Für ihre Arbeit erhielt sie keinen Lohn, aber sie machte das Leben erträglicher.
    Heute Nachmittag war sie zu einer neuen Kundin bestellt worden, bei der es sich, Sebastianos abschätzigen Worten zufolge, um eine Kurtisane handeln sollte. Dianora, wie sich die Dame nannte, bewohnte einen schmalen Palazzo im

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