Die Tochter des Tuchhandlers
Familie habt Ihr in den Ruin getrieben und Schande über das Haus Buornardi gebracht. Und meine Giulia wäre in dem Rattenloch, in das Federico sie gegeben hat, fast gestorben. Ich habe wahrlich allen Grund, Euch zu beschimpfen, aber das macht nichts ungeschehen.«
»Immer hochmütig, niemals auÃer Fassung. Bravo, Beatrice.« Marcina schlug mit dem Fächer gegen einen Bettpfosten.
»Ihr denkt, Ihr seid besser als ich, aber das seid Ihr nicht.« Drohend kam sie auf Beatrice zu.
»O doch, das bin ich. Ihr seid eine Hure!«
»Ich bin eine Kurtisane! Mir liegen die Männer zu FüÃen, weil sie mich begehren. Ihr konntet ja nicht einmal einen Mann glücklich machen. Eine armselige, von mitleidigen Verwandten abhängige Witwe seid Ihr. Eine Last, die niemand haben will, die nie jemand wollte!«, schrie Marcina sie an.
Beatrice wich vor der wütenden Frau zurück. »Ich rede nicht mit Abschaum wie Euch!« Sie drehte sich um und wollte nach dem Türring greifen, als Marcina sie plötzlich von hinten angriff, ihre Haare packte und sie gegen einen Tisch stieÃ.
»Claudio!«, schrie Beatrice voller Angst, denn Marcina zog einen Dolch aus ihrem Fächer.
»Wisst Ihr, was ein sfregio ist, Beatrice?«
Der Dolch blitzte auf und fuhr auf Beatrices Wange nieder. Sie war nicht schnell genug, um dem Hieb ganz auszuweichen, und spürte, wie die scharfe Klinge ihr Fleisch an Kinn und Hals aufschnitt. In diesem Moment wurde die Tür aufgestoÃen, und Claudio stürzte herein.
Er warf sich auf die rasende Marcina, entriss ihr den Dolch und schlug sie nieder. Dann griff er nach Beatrices Arm und zog die stark Blutende hinter sich aus dem Zimmer. »Schnell, bevor sie Hilfe holt.«
Sie hörte Marcina schon nach der Magd schreien, und von oben ertönte eine Männerstimme. Mit Claudios Hilfe stolperte sie die dunklen Treppen hinunter. Der Schnitt musste tief sein, denn das Blut strömte nur so über Hals und Dekolleté. Unten angekommen, zerrte Claudio den Riegel der Haustür auf und stieà Beatrice vor sich in die Gasse.
Weg von hier, war alles, was Beatrice denken konnte.
XXXV
Und der Himmel weinte
Tomeo stand auf einem der Wachtürme des Hauptquartiers und sah über das geplünderte Mailand zu den Zelten der Belagerer hinüber, die sich als kleine weiÃe Punkte in der Ferne hinter den Stadtmauern abzeichneten. Die spanischen und deutschen Söldner hatten die Mailänder wie eine Sklavenherde zusammengetrieben und brachten die Menschen an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit. Wenn nur Bourbon endlich mit dem Nachschub anrückte! Er dachte an Beatrice. Mehr als einmal war er kurz davor gewesen, alles hinzuwerfen und nach Rom zu gehen, doch dann sah er die ausgemergelten Gesichter seiner Soldaten und wusste, dass er sich den Rest seines Lebens schämen würde, lieÃe er die Männer jetzt im Stich.
Seit der Schlacht bei Pavia waren über zwölf Monate vergangen. Für viele Italiener waren diese Monate eine Zeit des Luftholens gewesen, doch die Lage in Mailand war angespannt. Tomeo und die anderen Kommandeure hatten Mühe, die siebentausend hungernden Spanier und Landsknechte zu bändigen. Wie erwartet hatte sich der Friedensvertrag zwischen Karl V. und Franz I. als Farce erwiesen. Tomeo hatte erwartet, dass der französische König alle Zugeständnisse widerrufen würde, sobald er wieder in Frankreich war. Und der gedemütigte Franz ging noch einen Schritt weiter und schloss sich im Mai 1526 mit Venedig und dem Papst zur Heiligen Liga von Cognac zusammen.
Karl V. sah sich politisch stark bedrängt, als im Sommer 1526 der Reichstag in Speyer zusammentrat. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Liga waren in vollem Gange, und an den österreichischen Grenzen wuchs die Bedrohung durch die Türken. Tomeo fragte sich wie die meisten hier, ob es richtig gewesen war, dass der Kaiser einen Beschluss verabschiedet hatte, der es jedem Reichsstand erlaubte, selbstherrlich über das Kirchenregiment zu entscheiden. Die Lutheraner triumphierten und sahen sich in ihrer Kritik am päpstlichen Kirchenstaat bestätigt.
Tomeo nahm diese Entwicklungen mit groÃer Besorgnis wahr, bedeuteten sie doch weiteren Krieg und keine Aussicht auf Entspannung des Konflikts zwischen Karl und Clemens. Nachdem er Beatrice im Casentino verlassen hatte, war er nach Genua gereist und hatte mit Bourbon über die
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