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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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helfen?«
    Â»Sie stirbt sowieso, soll sie das Teufelszeug behalten. Der Leib ist aufgeschwollen, wie ihr seht, und das Kind rührt sich seit Tagen nicht mehr. Die tote Frucht vergiftet die arme Frau.«
    Â»Wie entsetzlich! Könnt Ihr das Kind nicht holen?« Unbewusst legte Beatrice ihre Hände schützend vor den eigenen Leib.
    Die Nonne schüttelte den Kopf. »Der Herr gibt, und der Herr nimmt.« Das graue Ordensgewand hing lose an ihrem mageren Körper. Ihre nackten Füße steckten in einfachen Bundschuhen, doch sie strahlte mehr Würde und Anmut aus als die meisten Frauen aus dem Adel oder reichen Kaufmannsstand, die Beatrice kannte. »Die meisten Geburten verlaufen normal, Monna Beatrice. Eure Mutter war erst vorgestern hier und brachte Leinenzeug und Nüsse. Geht es Euch wohl in Eurer Ehe?«
    Beatrice sah sich nach Ines um, die am Ausgang stand und einen Korb in Händen hielt. »Ja, danke, Schwester. Wir haben Euch Gewürze und Kuchen mitgebracht.« Über den gefegten Steinfußboden huschten Mäuse, eine Schwester trug einen Eimer mit stinkenden Lumpen vorüber, eine andere brachte zwei Krüge mit Trinkwasser herein. Schreie und Stöhnen der Leidenden wurden zusammen mit dem Gestank von schwärenden Wunden und Urin auch für Beatrice langsam unerträglich.
    Â»Sehr großzügig von Euch. Gewürze haben wir nur äußerst selten. Ihr seid blass. Hier drinnen halten es die meisten Besucher nicht lange aus. Geht nur. Wir werden für Eure Großmut beten.« Sie brachte Beatrice zum Ausgang, nahm Ines den Korb ab und schloss lächelnd die Tür hinter ihnen.
    Im Hof des Hospitals atmeten beide Frauen tief die frische Frühlingsluft ein. Der Boden war nass vom Regen, doch die Temperaturen waren spürbar milder. Ein Bettler lag vor dem Hoftor, durch das sie auf die Straße traten. Er schwang eine kleine Glocke mit seinen verkrüppelten Händen, aus einer Augenhöhle lief grüner Eiter.
    Â»Ein Aussätziger!« Ines wandte sich ab.
    Â»Wovon soll er leben, wenn alle wegsehen?« Beatrice warf eine Münze in die Bettlerschale.
    Â»Schon, aber Ihr könnt nicht jedem etwas geben.«
    Â»Wir sind jetzt in der Via dell’Angelo Custode, also gehen wir hier durch und kommen direkt in die Via Guinigi.« Einem Fuhrwerk ausweichend, das an ihnen vorbeiholperte und den Matsch der Straße aufschleuderte, schritt Beatrice zielstrebig voran.
    Der größte Teil der Straße gehörte den Guinigis, deren riesiger mittelalterlicher Palast mit seinem Turm alle anderen Gebäude überragte. Es gab jedoch auch eine ganze Reihe kleinerer Wohnhäuser, die Schustergilde hatte hier ihren Sitz und einige Weber, deren Zunftzeichen über den Türen hing. In einem Eingang stand ein Mann in einem dunklen Umhang, dessen Kapuze sein Gesicht verdeckte. Beatrice hatte plötzlich Angst, er könnte ihnen gefolgt sein, doch dann verwarf sie den Gedanken. Seit dem Mord an dem päpstlichen Legaten Agozzini lag eine düstere Stimmung über Lucca. Häufig tauchten Fremde auf, die merkwürdige Fragen stellten, und der giudice schickte seine Stadtknechte in die Häuser der Bürger, um sie über die Mordnacht auszufragen. Auch Federico hatte sich vor einem Gericht für seinen nächtlichen Aufenthalt in der Nähe des Domes rechtfertigen müssen und war darüber sehr aufgebracht gewesen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass seine Freunde dieselben peinlichen Fragen über sich hatten ergehen lassen müssen. Beatrice sah erneut zu dem Mann mit dem Umhang hinüber, der sich im selben Moment abwandte und die Straße hinaufschlenderte.
    Â»Was habt Ihr?«, fragte Ines.
    Â»Ach nichts. Ich sehe Gespenster.«
    Plötzlich zupfte Ines an ihren Röcken und richtete sich umständlich das Haar. Da öffnete sich schon die Tür eines Hauses, und ein großer Mann mittleren Alters trat heraus.
    Â»Ines, kennst du mich nicht mehr? Gehst vorbei und sagst nicht guten Tag?« Der Mann verbeugte sich kurz, als er Beatrice sah. »Monna Buornardi, es ist mir eine Ehre.«
    Beatrice sah ihre Zofe fragend an, die sich beeilte, den Weber vorzustellen.
    Â»Meister Ugo, Madonna, er, wir …«, sie stotterte verlegen.
    Ugo kam ihr zu Hilfe. »Ich bin ein rechtschaffener Weber, habe ein gutes Auskommen, kommenden Monat den Webstuhl abbezahlt und genügend Aufträge für dieses und

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