Die Tochter des Tuchhandlers
Beatrice.«
»Welcher?«, fragte sie leise.
»Franz, er war gerade zum Fähnrich ernannt worden.«
Sie schloss die Augen und sah das blasse Gesicht eines hoch aufgeschossenen Jungen vor sich, der viel zu ernst war für sein Alter und der es nicht hatte erwarten können, alt genug für das Kriegshandwerk zu sein. In den Krieg war er gezogen, sein Leben war so kurz gewesen. Arme Tante Susanna â¦
»Er war ein tapferer Junge, Monna Beatrice, und hat gewusst, dass er sterben könnte. Wir alle wissen das.«
Federico schob ihr ein Weinglas zu. »Kein Sieg ohne Opfer. Trinkt einen Schluck.«
Gehorsam führte sie das Glas an die Lippen und hörte benommen zu, wie Tomeo von der Gefangennahme des französischen Königs berichtete.
»Ich sah seine Ordenskette in der Morgensonne glänzen. Franz I. wehrte sich gegen spanische Reiter, stach dem Grafen von Salm in den Schenkel, ging dann aber selbst zu Boden. Sofort wurde er von einem Haufen wütender Landsknechte und Spanier umringt, die ihm alles entrissen, was sie in ihre gierigen Klauen bekommen konnten. Aber selbst ohne Gürtel, silbernen Waffenrock, Helmbusch und im zerrissenen Leibrock sah Franz königlicher aus als die mordlüsternen Söldner.«
Die Männer am Tisch nickten anerkennend. Connucci schnalzte mit der Zunge. »Für einen Franzosen ist er ein bemerkenswerter Mann.«
»Bevor sie ihm Schlimmeres antun konnten, war ich bei ihm, und Gian Marco holte Lannoy und Pescara, vor denen Franz kapitulierte.« Tomeo verschwieg, dass Pescara in der Schlacht verwundet worden war und er sich groÃe Sorgen um seinen Kommandanten machte. Er schätzte Pescara als klugen Strategen und hatte ihn stets als Vorbild gesehen. Sein Tod wäre ein schwerer Verlust für die ohnehin angeschlagene Moral des kaiserlichen Heeres.
»Eine demütigende Situation für Franz. Damit ist alles entschieden, nicht wahr? Jetzt haben die Zahlungen an Karl ein Ende!«, sagte Federico grinsend.
Tomeo verstand seinen Bruder immer weniger. War Geld das Einzige, was Federico etwas bedeutete? Wollte er noch mehr Schulden machen, nur um mit Connucci mithalten zu können, um dessen Freundschaft er so offensichtlich buhlte? Connucci war ein gefährlicher Freund, Tomeo kannte den Marchese besser als die meisten. Doch Federico schien sich von ÃuÃerlichkeiten blenden zu lassen, und mit ihm darüber zu sprechen war sinnlos, denn Federico war rechthaberisch und jähzornig und würde von ihm, dem Jüngeren, keinen Rat annehmen. »Nein, Federico, jetzt fängt alles erst an â¦Â«, sagte er stattdessen trocken und stillte seinen Durst mit einem Glas Wein.
Connucci lachte schallend. »Wie wahr, mein Freund! Wir reichen Luccheser werden weiter gemolken, um dem Kaiser die Schatzkisten zu füllen, aber immerhin geht es uns besser als den Mailändern, und das sollten wir nicht vergessen!«
Beifalls- und Bravorufe ertönten, und Tomeo wurde als Retter des Königs gefeiert. Und während Beatrice wieder einmal Tomeos Blick auf sich gerichtet fühlte, fragte plötzlich da Sesto, gegen dessen Sticheleien Beatrice eine Abneigung gefasst hatte: »Was ist mit dir, Tomeo, immer noch ohne Frau? Als Held wärest du eine begehrte Partie.«
»Eine Frau? Ich bin Soldat! Ãberall gibt es schöne Frauen, deren Herz getröstet werden will, wie könnte ich ihnen das verwehren?«
Seine leicht dahingeworfenen Worte machten Beatrice auf überraschende Weise betroffen, und als sie ihn ansah, hatte sie das Gefühl, er hätte sie nur gesagt, um ihre Reaktion zu prüfen.
Diener schenkten aufmerksam Wein nach und trugen immer neue Speisen auf. Die Gesellschaft schien bester Stimmung, und selbst Lorenza unterhielt sich angeregt, ohne böse Blicke auf ihre Schwiegertochter zu werfen. Die Freude über Tomeos Rückkehr und den Sieg bei Pavia überwog an diesem Abend anscheinend familiäre Zwistigkeiten.
Schräg gegenüber von Beatrice saÃen Rodolfo da Sesto und der Marchese Gadino Connucci, der Beatrice unverhohlen musterte. »Was geschieht jetzt mit Franz?«
»Er wurde in ein Gefängnis in Mailand gebracht. Karl ist ja noch in Spanien, und jetzt beginnen die Verhandlungen über die Bedingungen für seine Freilassung.« Tomeos Augenbrauen zogen sich zusammen. »Karl soll endlich nach Italien kommen ⦠Ohne solche Männer wie Pescara und Frundsberg, die
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