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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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aufgebaut ist. Sei es gut oder nicht, es ist alles, was wir haben. Versteht Ihr das, Beatrice?«
    Â»Ja, Signore.« Sie erwiderte den Händedruck und schämte sich für ihr unbedachtes Verhalten.
    Â»Schön, schön, dann wollen wir es vergessen, und wegen Lorenza macht Euch keine Gedanken, sie ist launisch, und wenn etwas nicht nach ihrem Willen geht, wird sie ungehalten. Geht ihr aus dem Weg.« Er hielt inne, schloss die Augen und atmete mehrere Male tief ein und aus. »Ich muss mich ausruhen.«
    Besorgt blickte Beatrice dem alten Mann nach, der schwer auf seinen Stock gestützt die Treppe hinaufstieg. Sie hatte noch viel zu lernen. Nachdenklich schlenderte sie über den Hof und in den Garten, in dem erstes Grün die Bäume schmückte und Frühlingsblumen den Rasen bedeckten. Beatrice setzte sich auf einer windgeschützten Bank in die Sonne, um einer Katze zuzusehen, die hinter einer Feder herjagte. Das braun-weiße Tier war scheu und reagierte nicht auf Beatrices lockende Rufe.
    Â»Komm schon, faules Ding!« Ines zerrte ein dünnes Mädchen in zerlumpten Kleidern hinter sich her.
    Â»Wen bringst du denn da, Ines?« Beatrice erhob sich und betrachtete das schmutzige Gesicht des Mädchens, das widerwillig an Ines’ Hand zog.
    Trotzig schob es die Unterlippe vor und hielt den Blick auf den Boden geheftet. Die strähnigen Haare waren sicher voller Läuse und die Lumpen an dem kleinen Kinderkörper ein Tummelplatz für Flöhe und sonstiges Ungeziefer.
    Â»Warum hast du sie nicht zuerst gewaschen, bevor du sie zu mir bringst?«
    Ihre Zofe ließ die Hand des Mädchens los. »Nicht wieder weglaufen, verstanden? Du bist ein dummes Kind, wenn du dich der Signora gegenüber nicht anständig verhältst.« Ines räusperte sich. »Madonna, ich wollte sichergehen, dass Ihr dieses undankbare Geschöpf überhaupt haben wollt. Sie hat mich gebissen, als ich sie aus der Hütte geholt habe, in der die Familie gehaust hat. Uhh, dieser Gestank, die Fliegen …«
    Â»Dann ist sie die Tochter der …?« Beatrice scheute sich, die Hinrichtung in Gegenwart des Mädchens zu erwähnen.
    Â»Ja. Sie ist die einzige Tochter, soweit man mir das sagen konnte. Ihre Brüder sind von den Verwandten als billige Arbeitssklaven mitgenommen worden. Nur sie saß noch allein inmitten von Hühnerdreck und neben einem toten Hund.«
    Mitleidig sah Beatrice das Mädchen an, das die Katze entdeckt hatte, die sich den Bauch von der Sonne wärmen ließ. Ein kleines Lächeln erhellte das Kindergesicht.
    Â»Sag der Signora, wie du heißt, oder hat es dir die Sprache verschlagen?« Ines stieß die Kleine an.
    Â»Alba«, flüsterte sie, ohne aufzusehen.
    Â»Und sieh die Signora an, wenn du mit ihr sprichst!«
    Â»Schon gut, Ines. Sie hat Angst. Alba ist ein ungewöhnlicher Name. Warum hat man dich so getauft? Du bist doch getauft?«, fragte Beatrice sanft.
    Alba nickte und musterte Beatrice vorsichtig mit großen, dunklen Augen. »Mein Vater war Spanier.«
    Â»Du liebe Zeit! Ein Soldatenbalg!«, entfuhr es Ines.
    Â»War? Ist er tot?«, fuhr Beatrice fort, ohne auf ihre Zofe zu achten.
    Â»Weiß nicht, habe ihn nie gesehen. Ist das Eure Katze?«
    Â»Du darfst mit ihr spielen, wenn du hierbleiben willst, oder möchtest du zu deinen Verwandten?«
    Energisch schüttelte Alba den Kopf. Der Gestank, der dem Kinderkörper dabei entströmte, war entsetzlich.
    Â»Ines, bring sie in die Waschküche. Lass sie entlausen, die Kleider verbrennen, und dann wird sie geschrubbt. Aber gib ihr vorher etwas zu essen.« Beatrice nahm einige Kupferstücke aus ihrem Beutel. »Schick Fabio los, damit er passende Kleidung für Alba kauft. Drei Hemden und zwei Überkleider.« Nach einem Blick auf die nackten Kinderfüße holte sie eine weitere Münze hervor. »Und Schuhe.«
    Ines steckte das Geld ein. »Wozu das gut sein soll …«
    Â»Alba, wie alt bist du?«
    Die Kleine hob beide Hände und zeigte noch einmal zwei Finger.
    Â»Zwölf Jahre also. Lesen und schreiben kannst du wohl nicht?«
    Ines nahm das Mädchen am Arm und zog es mit sich. »Ihr habt Vorstellungen, Madonna. Wenn Ihr gesehen hättet, woher sie kommt, wärt Ihr froh, dass sie überhaupt zwei vollständige Sätze bilden kann. So, und jetzt gehen wir.«
    Beatrice ging in ihr studiolo , um zu lesen, doch

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