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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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es fiel ihr schwer, die Gedanken auf den griechischen Text zu lenken, denn seit sie Marcina auf dem Hinrichtungsplatz gesehen hatte, waren deren Drohungen wieder gegenwärtig. Sie hatte niemandem von der Begegnung in San Michele erzählt. Der Einzige, der ihr mehr sagen konnte, war ihr Mann, und der war nicht da und würde wahrscheinlich ohnehin behaupten, sie hätte sich die ganze Geschichte ausgedacht.
    Endlich kam Ines herein. »Meine Güte, du siehst aus wie ein gerupftes Huhn!«
    Ihre Zofe strich über die in Unordnung geratene Frisur. »Das kleine Aas wollte nicht in den Zuber steigen. Drei Mägde mussten mir helfen, sie darin festzuhalten, damit wir sie waschen konnten. Welche Arbeit soll sie übernehmen?«
    Von ihrem Tisch aus konnte Beatrice den hinteren Teil des Gartens sehen. Die Katze hatte sich auf die Bank gelegt, und Alba saß in einem einfachen Kittel neben ihr und streichelte das Tier. Sie ist noch ein Kind, dachte Beatrice. »Sie kann in der Küche helfen oder dir zur Hand gehen.«
    Â»Soll sie Gemüse bei Plantilla putzen, wenn sie das kann«, meinte Ines.
    Â»Und an zwei Nachmittagen in der Woche geht sie zu Pater Aniani im Konvent von San Frediano und nimmt an den Schulstunden teil.«
    Â»Das geht zu weit! Sie ist kaum mehr als eine Sklavin, und Ihr schickt sie in die Schule? Und auch noch zu den Reformisten? Wenn die Signora davon erfährt …«
    Verärgert stand Beatrice auf. »Lorenza wird es nicht erfahren, wenn ihr niemand etwas sagt, und was hat Alba schon von ihrem Leben zu erwarten? Lesen und schreiben zu können wird ihr die Möglichkeit auf eine bessere Arbeit als Gemüseputzen eröffnen. Ist das falsch, Ines? Missgönnst du ihr diese kleine Chance?«
    Betreten senkte Ines den Kopf. »Natürlich nicht.« Sie kramte einen Brief aus ihrem Rock hervor. »Den hatte ich ganz vergessen. Ein Bote brachte ihn eben für Euch. Entschuldigt mich, Madonna.«
    Neugierig riss Beatrice das Schreiben auf, das das Siegel ihres Vaters trug. Es war eine kurze Nachricht über den Stand der Webarbeiten. Nardorus hatte die Muster ihrem Vater mit der Empfehlung übergeben, sich bei der Ausfertigung an die Weber Ugo und Lelo zu wenden, denen Beatrice mehr zutraute als allen anderen Luccheser Webern. Anscheinend arbeiteten sie zur Zufriedenheit ihres Vaters, und es schien nicht unmöglich, die Stoffe für die Villa in Matraia rechtzeitig abzuliefern. Wundervoll, dachte Beatrice und freute sich für Ugo und Ines, die durch dieses Zusatzgeschäft einer Heirat näher kamen. Sie legte den Brief in eine Kassette, die sie verschloss und in einer Schublade des Schreibtisches verstaute. Plötzlich sah sie wieder die Porretta vor sich, wie sie auf die Hinrichtung gewartet hatte. Beatrice eilte aus dem studiolo und suchte nach ihrer Zofe, die vor der Küche mit Plantilla, der Köchin, schwatzte.
    Â»Ines, bitte komm einmal her zu mir.«
    Â»Madonna?«
    Die robuste Plantilla wischte sich die Hände an der Schürze ab, hob einen Korb Erdknollen vom Boden auf und ging in die Küche, aus der ein Gemisch verschiedenster Gerüche strömte.
    Â»Das ist jetzt eine merkwürdige Frage, aber hast du auch die Porretta auf der Piazza gesehen, als Albas Mutter gerichtet werden sollte?«
    Â»Die Porretta?« Ines grübelte. »Nein, ich erinnere mich nicht.«
    Â»Hmm, eben dachte ich wieder daran und frage mich, ob sie vielleicht schwanger ist …«
    Erstaunt riss Ines die Augenbrauen hoch. »Die und schwanger? Na, das wäre ja schön dumm von ihr. Eine schwangere Witwe? Wenn die Päpstlichen hier weiter so vorlaut durch die Straßen ziehen und so eine erwischen, dann endet die am Pranger …«
    Â»Sie wird es verbergen müssen, aber ich will wissen, ob ich mich irre oder nicht.« Nervös knetete Beatrice ihre Fingerknöchel.
    Â»Ich schreibe einen Brief an Ugo. Er soll uns heute noch Nachricht geben, was er weiß. Wie ist das?«
    Â»Sehr gut, Ines.« Sie nahm einen Scudo aus ihrem Beutel. »Gib dem Boten das und sag, er soll auf die Antwort warten.«
    Aus der Küche ertönte plötzlich lautes Geschrei, dann klatschte es, und Alba kam herausgerannt. Beatrice erwischte sie am Ärmel. Albas Haare waren noch feucht, doch die Haut rosig und sauber. Sie musste zweimal hinsehen, um das schmutzige Kind in dem gesäuberten Mädchen wiederzuerkennen. »Was war los,

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