Die Tochter des Tuchhandlers
hinter ihr her. Ihre rissigen Hände vor das Gesicht gedrückt, schluchzte sie: »Aber nein, Signora, nein, so ist das nicht, glaubt mir doch! Beim Grab des heiligen Antonius, ich schwöre, dass ich mir eher einen Finger abhacken als Euch bestehlen würde!«
Beatrice wurde ungewollt Zeugin, als sie auf dem Weg vom Kontor in die Halle war. Ohne zu überlegen, sagte sie: »Wegen eines Kohls bringt Ihr dieses arme Geschöpf zum Weinen?«
»Und was habt Ihr damit zu tun? Kümmert Euch um Eure Angelegenheiten, Madonna!«, fauchte Lorenza, deren Gesicht purpurn anlief. »Ich bestrafe meine Diener, wie es mir beliebt! Geh in den Hof!«, schrie sie die Magd an, die weinend gehorchte. »Pietro!«
Lautlos erschien der maestro di casa mit einer Weidenrute in den Händen. Die Sorgfalt, mit der er die Rute prüfte, verriet, dass er gerne schlug.
»Was kostet Euch ein Kohlkopf?«, fragte Beatrice.
»Wie bitte?«
»Der Preis für einen Kohlkopf.«
Signora Buornardi rang die wurstigen, beringten Finger, und ihr schweres Atmen brachte die Nähte ihres engen Kleides dem Bersten nahe. Seit dem letzten Besuch ihres Medicus trug sie einen in Gold gefassten Bezoarstein mit sich herum, von dem sie glaubte, dass er sie vor Krankheit, Gift und Seuchen bewahren würde. Für den Stein, der aus Ziegenmägen stammte, wie Beatrice von Ansari wusste, hatte sie dem schmierigen Quacksalber sicher ein Vermögen gezahlt.
»Ihr wisst es nicht einmal. Und dafür wollt Ihr dieses Mädchen schlagen lassen? Seht Ihr denn nicht, dass sie vor Angst zittert? Oder macht es Euch Freude, sie leiden zu sehen?« Mit diesen letzten Worten war Beatrice deutlich zu weit gegangen.
Die korpulente Frau trat dicht an Beatrice heran, so dass ihr der faulige Atem ins Gesicht schlug. »Ich war nicht für diese Ehe, aber ich hatte das nicht zu entscheiden. Ihr seid nichts weiter als die Tochter einer deutschen Hure aus einer Familie von â¦Â«
Bevor sie weitere Beleidigungen ausstoÃen konnte, schnitt ein drohendes »Genug, Weib!« ihr das Wort ab. Ser Buornardi trat zu ihnen. Wütend stieà er seinen Gehstock auf den Boden. »Ihr seid ein zänkisches Weibsbild, aber meine Schwiegertochter beleidigt Ihr nicht. Habt Ihr das verstanden?« Seine Stimme dröhnte, und trotz seiner Krankheit war er augenblicklich Herr der Lage.
Lorenza zuckte zusammen, doch sie gab noch nicht auf. »Eine der Mägde hat gestohlen. Dafür muss sie bestraft werden, auch wenn Madonna Beatrice hier ohne Kenntnis der Lage die Barmherzige spielen will. Sie verdirbt die Dienerschaft!«
»Es geht um einen Kohl! Nur ein Kohl, der faulig war«, warf Beatrice ein.
»Holt die Magd her!«, befahl Ser Buornardi. Dann lieà er die Köchin, zwei weitere Mägde und den Kellermeister kommen. Nachdem er sie alle befragt hatte, stand fest, dass der Kohl zur Hälfte faulig gewesen war und die Magd die gute Hälfte mit nach Hause genommen hatte. »Das war nicht recht. Gib ihr zwei Hiebe auf die Waden, Pietro, und damit ist die Sache erledigt.«
»Nur zwei Hiebe? Dann macht sie es morgen wieder!«, entrüstete sich Lorenza.
Doch die junge Magd stammelte mit rotverweinten Augen: »O nein! Glauben Sie mir, o bitte, Signore.«
»Genug jetzt!« Ser Buornardi winkte Pietro Farini, die Magd ihrer Bestrafung zuzuführen. Als die beiden gegangen waren, herrschte er seine Frau an: »Ihr entschuldigt Euch bei Beatrice für Eure unerhörten Beleidigungen! Auf der Stelle!«
Während Lorenza nach Worten rang, trat eine Ader an ihrer Stirn hervor. Beatrice befürchtete schon, dass die übergewichtige Frau einen Schlaganfall erleiden könne, doch schlieÃlich presste Lorenza eine Entschuldigung hervor.
»Dann dürft Ihr Euch jetzt entfernen.« Buornardis Stimme war freundlich und beherrscht wie immer.
Mit einem letzten erbosten Blick auf Beatrice rauschte Lorenza davon. Betreten stand Beatrice in der Halle. Ohne die Hilfe von Ser Buornardi hätte sie sich zum Narren gemacht. »Signore, es tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, einen solchen Aufruhr zu verursachen. Es erschien mir nur so ungerecht ⦠Wegen eines Kohls, meine ich â¦Â«
»Madonna, Ihr habt ein gutes Herz, zu gut, fürchte ich. Ich strafe nicht gern, aber wenn wir es nicht tun, bestiehlt uns die Dienerschaft, wo sie nur kann. Wir leben in einem System, das auf Furcht
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