Die Tochter des Tuchhandlers
Beatrice, die nicht begriff, worauf der aufgeregte Buchhalter hinauswollte.
Er raufte sich die spärlichen Haare. »Vögel! Seht Ihr irgendwo Vögel?«
»Nein.«
»Sie wollte viele Vögel, Pfauen, Papageien, Störche, ach, ich weià nicht, was es sonst noch an gefiederten Viechern gibt. Versteht Ihr jetzt? Die Weber haben nur Pflanzenmotive eingearbeitet, wo die Signora Vögel wollte! Die Stoffe sind für die Villa in Matraia. Es bleiben uns zwei Monate bis zum Umzug aufs Land. Zwei Monate! Wo um alles auf der Welt soll ich in dieser Zeit einen Weber auftreiben, der mir Stoffe nach den Mustern anfertigt, und zwar in dieser Qualität?« Nardorus nahm einen Stoffzipfel in die Hand und warf ihn unglücklich von sich.
»Hat Signora Lorenza diese Stoffe schon gesehen?«
»Nein, o Gott, bewahre mich vor dem Tag â¦!«
»Na schön. Hast du schon mit Signor Buornardi gesprochen?« Beatrice hatte ihren Schwiegervater als besonnenen Menschen kennengelernt und verstand nicht ganz, warum Nardorus derart auÃer Fassung geraten war. SchlieÃlich hatte Ser Buornardi das letzte Wort.
»Er ist krank, Madonna. Sein Herz ist schwach, und ich kann nicht verantworten, dass er sich aufregt, was er tun wird, wenn die Signora ein Spektakel veranstaltet, weil sie ihren Salon nicht so einrichten kann, wie sie es geplant hat.« Agostino lächelte schwach. »Ihr kennt sie nicht. Sie kann sehr grausam sein.« Mit einer Hand schob er den Ãrmel seines Hemdes nach oben. Dunkelrote Narben bedeckten seinen linken Unterarm.
Verständnislos starrte Beatrice auf die von Rutenschlägen verstümmelte Haut. Nardorus war kein Sklave, sondern ein gebildeter Mann. »Warum �«
Mit schmalen Lippen schob er den Ãrmel wieder herunter. »Ich bin einen Tag von meiner Arbeit ferngeblieben, weil meine Frau und zwei meiner Kinder das Sumpffieber hatten. Es ging ihnen sehr schlecht. Der Arzt wollte erst kommen, als ich ihm Geld gab, und mein Sohn ist am nächsten Tag dennoch gestorben. Der Signore war mit dem jungen Herrn auf Reisen.« Er zuckte schicksalsergeben mit den Schultern. »Ich will meine Stellung nicht verlieren.«
Beatrice überlegte. Lorenza konnte ihr unmöglich auf diese Weise eine Falle stellen wollen, nein, was hätte sie davon? Es schien tatsächlich so zu sein, wie Nardorus es darstellte, und sie hatte Mitleid mit dem Mann, an dessen Treue seinem Herrn gegenüber sie nicht zweifelte. »Such die Entwürfe heraus. Sind das hier alle Stoffbahnen?«
»Diese und die Ballen dort im Regal.« Nardorus zeigte auf vier mittelgroÃe Stoffballen.
Es handelte sich zumindest um eine überschaubare Menge. Sie ging zu einem Pult, nahm einen Bogen Papier hervor und schrieb einige Zeilen an ihren Vater. AnschlieÃend faltete und versiegelte sie den Bogen und übergab ihn dem Buchhalter. »Lass die Stoffe, die Entwürfe und den Brief zu meinem Vater bringen. Wir brauchen einen verlässlichen Boten. Nimm Fabio, und verpflichte ihn in meinem Namen zu Stillschweigen.«
Nardorus verneigte sich vor ihr. »Ich stehe auf ewig in Eurer Schuld, Madonna.«
»Wenn alles so verläuft, wie ich es mir vorstelle, helfe ich nicht nur dir â¦Â« Sie lächelte versonnen.
Der hagere Mann stand vor ihr und wartete.
»Na geh schon, jeder Tag zählt, wenn die Stoffe rechtzeitig fertig werden sollen.«
Mit einer weiteren Verbeugung machte sich Nardorus daran, ihren Anweisungen zu folgen. Beatrice ging gedankenverloren in ihre Gemächer und bereitete sich auf das Abendessen vor. Dank Nardorus wusste sie um Lorenzas Grausamkeit und würde sich davor zu hüten wissen.
VIII
Alba
Immer neue Nachrichten über die Verhandlungen zwischen Papst Clemens und dem Kaiser trafen in Lucca ein. Die StraÃen waren voller Gerüchte. Flugblätter mit Verunglimpfungen beider Seiten machten die Runde, und offene Feindseligkeiten zwischen den verfeindeten Parteien waren keine Seltenheit mehr. Tomeo war zu seinem Regiment zurückgekehrt, und Beatrice vermisste seine laute, fröhliche Art, mit der er die Abende im Palazzo erträglich gemacht hatte. Ohne ihn und Federico würde Lorenza wieder die Oberhand gewinnen, und diese Aussicht war keineswegs erfreulich.
»Verfault? Dass ich nicht lache! Du hast den Kohl für deine Bälger mitgenommen, so sieht es aus!«, keifte Signora Buornardi.
Weinend kam eine der Mägde
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