Die Tochter des Tuchhandlers
mit einer Wasserschüssel und einem Tuch herbeieilte. Stumm wartete er, bis sie sich gereinigt hatte. »Aus welchem fernen Land kommst du?«
Zur Antwort riss er kurz den Mund auf. Zwischen blendend weiÃen Zähnen befand sich nur der Rest einer Zunge, denn diese hatte man dem Jungen herausgeschnitten. Es war Beatrice zwar bekannt, dass einige Vertreter der Oberklasse sich gerne mit stummen Dienern schmückten, aber sie fand die Verstümmelung entwürdigend und grausam. Plötzlich fühlte sie die Pastete schwer in ihrem Magen liegen. Der Junge stammelte unverständliche Laute. »Schon gut.«
Sie konnte den Anblick nicht länger ertragen und lief, so schnell es ihr Kleid erlaubte, zwischen Säulen über glänzende MarmorfuÃböden bis in einen Raum, dessen Wände mit Spiegeln und Malereien geschmückt waren. Statuen und Büsten standen in Nischen und zeigten den menschlichen Körper in seinen perfektesten Formen. An den Wänden tummelten sich Nymphen und Satyrn in bacchantischen Szenerien, von denen Beatrice sich verschüchtert abwendete. Als sie hinter einem Paravent ein schmales Bett entdeckte, ahnte sie, dass dieser Raum privatem Amüsement vorbehalten war. Erschrocken fuhr sie zusammen. Auf dem Gang näherten sich Schritte. Ein schrilles Frauenlachen mischte sich mit Rodolfo da Sestos Stimme. Fieberhaft sah Beatrice sich nach einem Versteck um, hier wollte sie von dem angeheiterten da Sesto auf keinen Fall gesehen werden. SchlieÃlich fand sie einen Platz hinter einem der Fenstervorhänge neben einer lebensgroÃen Venusstatue. Es gelang ihr gerade noch, den Rock unter den Vorhang zu ziehen, als Rodolfo und seine Begleiterin hereintaumelten.
»Jetzt erzählt schon, Rodolfo, mein SüÃer, wohin ist Marcina gereist? Kommt schon, ich weiÃ, dass sie unvorsichtig war. Sie ist ein schlimmes Mädchen â¦Â«
Kleider raschelten, und Caterina Quilici gurrte wie eine Taube.
»Genau wie Ihr, mein Täubchen.« Rodolfo und Caterina kamen näher, und Beatrice versuchte, so wenig wie möglich zu atmen.
Jetzt schienen sie direkt vor ihr zu stehen. Sie hörte Metall auf Stein kratzen. »Schaut Euch diese Brüste an. Eine Venus, als wäre sie direkt dem Meer entstiegen.«
»Aber die hier sind nicht aus Stein â¦Â«, lockte Caterina.
Erneut raschelten Stoffe, und Caterina seufzte. »Nein, nein, Unartiger! Erst erzählt Ihr mir von Marcina. Ich kann ein Geheimnis bewahren.«
Rodolfo lachte. »O ja, natürlich, aber dieses Mal müsst Ihr mir bei allem, was Euch heilig ist, schwören, nichts zu sagen, sonst bringt Gadino mich um.«
»Bei allem, was mir heilig ist â¦Â«, kicherte Caterina.
»Sie ist nach Rom gefahren zu einer Freundin und kommt Ende des Sommers zurück. Ihre Freundin wird sich um das Kind kümmern. Jetzt kommt her, Ihr seid eine Füchsin â¦Â«
Beatrice hielt den Atem an, denn Rodolfo drängte seine Gespielin neben ihr an die Wand. Gleich entdecken sie mich, und ich werde vor Scham in den Boden versinken, dachte sie, doch Caterina war nicht so leicht zufriedenzustellen.
»Steht dort hinten nicht ein Bett? Mein Lieber, Ihr könnt Euch ja kaum auf den Beinen halten, wie wollt Ihr dann â¦Â«
Schritte entfernten sich, und Rodolfo bewies Caterina seine Standfestigkeit, was eindeutige Seufzer und Stöhnen bezeugten. »Nicht doch, lasst das. Ihr zerknittert mir ja das ganze Kleid. Euer Bericht war unvollständig. Wer ist der Vater, und wie heiÃt die Freundin in Rom?«, beharrte Caterina kurz darauf.
Von weitem näherten sich weitere Schritte, und durch einen Spalt im Vorhang konnte Beatrice sehen, wie Rodolfo sich hastig die Hose zuknöpfte und Caterina etwas ins Ohr flüsterte.
Diese schlug sich eine Hand vor den Mund. »Nein! Wenn das seine Frau wüsste â¦Â«, rief sie aus und lachte aus vollem Halse.
»Still jetzt! Verdammt, haltet endlich den Mund â¦Â« Rodolfo zog sie hinter sich zur Tür hinaus.
Mit zitternden Knien trat Beatrice aus ihrem Versteck und hielt sich die Hände gegen die glühenden Wangen. Ungewollt war sie Zeugin eines Ehebruchs geworden. Caterina Quilicis Gatte gehörte dem GroÃen Rat an, und sie wusste jetzt mit Sicherheit, dass Marcina Porretta ein Kind erwartete â und zwar von einem verheirateten Mann. Hatte Federico davon gewusst? War es das, worüber er noch vor kurzem mit ihr hatte
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