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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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gleichen Atemzug, dass er denjenigen um Schutz anflehte, der ihn als Erstes preisgeben würde. Mit der Hand fuhr er in die dunkle Öffnung und zuckte überrascht zurück. Etwas hatte ihn gestochen, und sein Mittelfinger blutete. Fluchend sog er an seinem Finger, wickelte ihn dann in ein Taschentuch und hielt den Sockel schräg, bis ein einzelner Brief herausfiel.
    Im Kerzenlicht erkannte er ein erbrochenes Siegel, es war nicht das päpstliche, sondern es bestand aus sechs kreisförmig angeordneten Blüten. Mari faltete das Papier hastig auseinander und stieß einen leisen Pfiff aus. Die Poggios! Der Brief war ein Vertrag, in dem sich die Poggios, darunter Arrigo und seine Brüder, und vier angesehene Mitglieder des Großen Rates verpflichteten, nach gelungenem Umsturz die neue Regierung in Lucca zu unterstützen. Er hatte geahnt, dass die Poggios die groß angelegte Revolte nicht allein durchgeführt hatten, aber dass ausgerechnet diese Männer ihnen dabei geholfen hatten, war ein starkes Stück – ehrwürdige, angesehene Mitglieder des Rates, die es an und für sich nicht nötig haben sollten, auf diese Weise an mehr Geld oder Macht zu kommen. Nachdenklich knetete Mari seine Unterlippe. Aber dass der junge da Sesto darunter war? Rodolfo amüsierte sich so unbekümmert auf Connuccis Fest. Der Marchese schien sein Wissen noch nicht ausgespielt zu haben, und Mari bedauerte Rodolfo schon jetzt.
    Dieses Papier war viel Geld wert, wenn es richtig eingesetzt wurde. Wie es in den Besitz des Marchese gelangt war, blieb ein Rätsel. Mari rieb sich die blanke Stirn. Den Mörder Agozzinis hatte er nicht gefunden, aber diese Information war ebenfalls sehr interessant, warf sie doch ein neues Licht auf den Aufstand vom Januar.
    Mari war gerade dabei, das Geheimfach wieder zu verschließen, als er Stimmen auf dem Gang hörte. Mit fahrigen Bewegungen hob er die Skulptur wieder auf den Sockel, wobei ihm der Marmor durch die schweißnassen Hände glitt und mit einem viel zu lauten Geräusch auf dem Kasten zu liegen kam. »Bei allen Heiligen!« Schwer atmend rannte Mari durch die Verbindungstür in den Nebenraum, so schnell es seine Leibesfülle erlaubte. In dem kleinen Salon stand eine Liege, auf die er sich sinken ließ und die Augen schloss.
    Sekunden später flog die Tür auf, und der Marchese kam herein.
    Â»Was war denn hier …« Als er den schnaufenden Mari erblickte, brach Gadino del Connucci in lautes Gelächter aus. »Ihr seid das! Mein lieber Freund, ist Euch nicht wohl? Ihr seid blass! Ich vermutete schon Arges, aber jetzt bin ich beruhigt. Wir haben Euch vermisst. Gerade tanzte ich mit Beatrice und erzählte, dass auch Ihr heute mein Gast seid.«
    Vorsichtig öffnete Alberto Mari die Augen und sah sich dem Marchese gegenüber. Hinter ihm erschien Beatrice.
    Â»Was für eine schöne Überraschung! Signor Mari, ich konnte gar nicht glauben, dass Ihr hier seid.«
    Â»Oh, ja …«, stammelte dieser und stützte sich auf einen Arm. »Mir war nicht gut, das Herz, fürchte ich.«
    Â»Eigentlich hätte ich nicht überrascht sein sollen, dass Beatrice Freunde wie Euch hat. Sie ist nicht nur schön, sondern auch klug.« Connucci zog einen Sessel heran und bot ihn Beatrice an. »Warum leistet Ihr unserem Freund nicht Gesellschaft, bis ich einen Medicus aufgetrieben habe? Es ist sicher einer unter den Gästen, der hoffentlich noch nicht zu betrunken ist.«
    Die Farbe kehrte in Maris Gesicht zurück. »Keine Umstände, Marchese. Ich habe meine Medizin bei mir. Etwas Wasser, und bald geht es wieder.« Wenn er eines fürchtete, dann fremde Quacksalber, deren Unverstand fast immer fatale Folgen hatte.
    Â»Ganz sicher?« Connuccis Anteilnahme schien echt. »Ich schicke Euch einen Diener mit Wasser und einer kräftigen Brühe.«
    Beatrice nickte. »Das wird das Beste sein. Wir kommen dann hinunter, sobald sich Signor Mari besser fühlt.«
    Ein Diener klopfte und trat zaghaft ein. »Die Marchesa fragt nach Euch, Exzellenz.« Mit gesenktem Kopf verharrte der Mann.
    Unwirsch schickte Connucci ihn weg. »Sie soll warten!«
    Dann verneigte er sich vor Beatrice, ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Ich wünschte, ich wäre es, um den Ihr Euch sorgt, Beatrice. Vergesst nicht, Ihr habt mir noch einen Tanz versprochen.« Sein Blick fiel auf Maris Finger. »Habt

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