Die Tochter des Tuchhandlers
sprechen wollen? Sie konnte sich darüber grämen oder wütend sein, ändern lieÃe sich nichts. Sie musste an ihr eigenes Kind denken, für das alles zu tun sie bereit war.
Beatrice lief zur Tür und spähte vorsichtig in den Gang hinaus, wo auÃer einem Diener niemand zu sehen war. Den Klängen der Musik folgend, fand sie ohne weitere Umwege in den Festsaal zurück. Während sie sich wieder unter die Gäste mischte, überlegte sie, dass es eigentlich noch einen zweiten Mann gab, der als Vater in Frage kam.
Der Marchese erblickte sie und steuerte direkt auf sie zu. Lächelnd legte Beatrice ihre Hand in seine und lieà sich auf die Tanzfläche führen. Während sie Connucci in der Volta folgte, fragte sie sich, wie er reagieren würde, wenn er erfuhr, dass er einen Bastard gezeugt hatte. Connucci streifte mit der Schulter ihren Rücken und schenkte ihr einen tiefen Blick unter schön geschwungenen Brauen.
Nein, dachte Beatrice, das gefiele ihm ganz und gar nicht.
Alberto Mari war sich des Risikos bewusst, dem er sich aussetzte, doch wenn er keine Beweise für seinen Verdacht fand, brauchte er nicht nach Rom zurückzukehren. Flamini würde ihn ohne Zögern ausliefern, und die Folterkammern der Inquisition waren sogar noch schlimmer als der Ruf, der ihnen vorauseilte. Mari war kein tapferer Mann. Fieberhaft durchwühlte er daher die privaten Papiere des Marchese. Er hatte dem Kammerdiener einen Golddukaten gegeben, damit er ihn eine Weile ungestört lieÃ. Nichts! Sorgfältig legte Alberto Mari die Papiere zurück und schaute sich im studiolo des Marchese um. Der Mann wusste sich mit schönen Dingen zu umgeben. Die Stoffe, das Mobiliar, alles war von erlesener Qualität. Ein putto lag verschmitzt grinsend auf einem Tisch. Ein römisches Original natürlich. Denk wie ein Marchese! Wo versteckt man kompromittierende Briefe? Er, Alberto Mari, würde sofort jeden Beweis verbrennen, aber nicht der Marchese. Der Mann war eitel und hatte Vergnügen an Erpressungen und verräterischen Spielen. Truhen und Schränke waren zu offensichtlich. Geldkassetten vielleicht, aber nein, wenn man in die Verlegenheit kam, in Gegenwart eines anderen Geld holen zu müssen, würde man sicher nicht wollen, dass wichtige Papiere zu sehen waren. Sich über das Kinn streichend, wanderte der Sekretär Flaminis durch den Raum, betrachtete Gemälde, zupfte an Wandteppichen und nahm Bücher aus den Regalen. Ratlos blieb er schlieÃlich stehen. Durch den Türspalt konnte er die Musik von unten hören.
Sein Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass er noch nicht gegessen hatte. Flamini war ein Teufel, der seine Vertrauensposition bei Clemens VII. ausnutzte, wo er nur konnte. Erst schickte er Agozzini, diesen unfähigen Lüstling, und jetzt ihn. Dabei wusste Flamini ganz genau, dass er nichts mehr hasste als Intrigen und Verrat. Vielleicht hatte Flamini ihn auch nur geschickt, weil er keinem anderen trauen konnte, schlieÃlich stand eine Stadt auf dem Spiel. Wie war er nur darauf gekommen, dass ausgerechnet der Marchese Agozzini ermordet haben könnte? Alberto Mari wischte sich mit dem Ãrmel über die verschwitzte Stirn und horchte auf den Flur hinaus. Doch auÃer der leisen Musik war nichts zu hören. Nein, für diese Aufträge war er nicht gemacht. Er hatte keine Nerven, seine Knie zitterten allein bei dem Gedanken an eine Entdeckung durch den Marchese. Warum konnte man ihn nicht mit seinen Büchern in Frieden lassen? Mari stand neben dem Tisch, auf dem der putto auf einem schwarzen Sockel ruhte. Der weiÃe Marmor fühlte sich kühl an. Er hielt inne und betrachtete ihn sich näher. Normalerweise war auch der Sockel aus Stein, aber nicht hier.
Neugierig drehte Mari die Figur des liegenden Jungen und hob sie an. Vorsichtig legte er sie neben den Sockel, der aus poliertem Ebenholz gefertigt war und bei genauem Hinsehen feine Linien zwischen den abgestuften Kanten aufwies. Mari rückte einen Kerzenleuchter heran und drehte und wendete den ellenlangen Sockel hin und her. Nach eingehender Untersuchung fand er heraus, dass sich bei gleichzeitigem Drücken von Ober- und Seitenpaneel die etwa handbreite Vorderwand abnehmen lieà und ein Hohlraum zum Vorschein kam. Ãngstlich hob er den Kopf und lauschte in den Raum, noch immer war alles ruhig. »Heiliger Vater, steht mir bei«, flüsterte er und bedauerte im
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