Die Tochter des Tuchhandlers
Beatrice, Ihr macht Euch zu viele Gedanken. Wer weià denn heute überhaupt noch, was in der Politik vor sich geht? Tsts, schaut Euch Bernardinas schönes Kleid an. Was meint Ihr, was der Stoff gekostet hat? Darin ist mehr Gold, als ich um den Hals trage! Dabei hat sie noch nicht einmal Sinn dafür. Sie verbringt ihre Zeit am liebsten mit Büchern und diesen Künstlern, die sie dauernd einlädt.«
Bernardina Chigi, Marchesa del Connucci, drehte sich würdevoll über die Tanzfläche, doch mangelte es ihr an Grazie. Diese Vorführung musste eine Tortur für sie sein, vor allem, da sie eine geistvolle Frau und sich ihres ÃuÃeren bewusst war. Der Marchese lächelte und bewegte sich mit gewohnter Eleganz. Ihm schien der Auftritt Spaà zu machen. Vielleicht gefiel es ihm sogar, seine Frau bloÃzustellen. »Sagt, Ortensia, Ihr hört viel mehr von dem, was in der Stadt vor sich geht, als ich. Habt Ihr von der überstürzten Abreise der Marcina Porretta gehört?«
»O ja!« Die Locken wippten aufgeregt. »Es heiÃt, sie sei in anderen Umständen, und man munkelt, das Kind sei möglicherweise sogar vom Marchese! Stellt Euch das vor! Sie soll aber auch noch andere Männer getroffen haben â¦Â« Erschrocken hielt sich Ortensia wieder das Taschentuch vor den Mund.
»Schon gut. Federico hatte vor unserer Ehe wohl eine Affäre mit ihr«, sagte Beatrice kühl.
»Ihr wisst das? Na dann ⦠Die Männer sind eben so, nicht wahr? Solange sie nicht die Franzosenkrankheit anschleppen â¦Â« Sie verzog angewidert das Gesicht.
Erschrocken hielt Beatrice den Atem an. An diese mögliche Folge auÃerehelicher Aktivitäten hatte sie noch nicht gedacht. Es kursierten die schillerndsten Gerüchte über die Krankheit, die unter Soldaten und Huren viele Todesopfer gefordert hatte.
Ortensia lachte laut, als sie Beatrices erschrockene Miene sah. »Ich lasse mir alles von meiner Zofe erklären, alles! Wie kommt Ihr mit meiner Tante aus? Sie ist ziemlich launisch, und wenn sie ihren Willen nicht bekommt, wird sie zur Furie. Ja?« Wieder lachte sie, als Beatrice der Mund halb offen stehen blieb. »Sagt nichts, die liebe Familie ⦠Glaubt nicht, dass es bei mir anders wäre. Ich habe gehört, dass Ihr das Kind einer Mörderin aufgenommen habt?«
»Ja, aber �«
»Woher ich das wei� Ich bitte Euch, Lucca ist ein Dorf. Denkt Ihr, es war klug, so ein Balg ins Haus zu nehmen?«
»Ihr wart nicht dabei, als die Mutter mich vor der Hinrichtung anflehte, etwas für ihre Kinder zu tun.«
»Ihr klingt, als wärt Ihr eine von den Barmherzigen Schwestern. Von mir aus verschenkt Euer Geld, wenn Ihr meint, dadurch ist Euch ein Platz im Paradies sicher. Ich sage nur, dass man sich vor solchen Bälgern in Acht nehmen soll ⦠Es gibt genügend Beispiele, wo sich ein Wohltäter umdrehte und das liebe Adoptivkind ihm mir nichts, dir nichts einen Dolch in den Rücken gejagt hat.« Ortensia zuckte mit den Schultern und griff nach ihren Locken. »Sitzen sie noch? Meine Zofe hat Stunden dafür gebraucht. Seht, da vorn ist der hübsche Averardo, Connuccis Sekretär.«
Beatrice erblickte den Mann, den sie das erste Mal auf ihrer Hochzeit gesehen hatte. Hübsch war er tatsächlich, aber seine Bewegungen wirkten arg geziert, und als er seine Hand vertraulich über den Rücken eines männlichen Gastes gleiten lieÃ, war ihr auch klar, warum, Averardo bevorzugte das eigene Geschlecht.
»Macht Euch keine groÃen Hoffnungen in Bezug auf den Sekretär â¦Â«, begann sie, hielt jedoch im Satz inne, denn Ortensia wurde von einem Kavalier zum Tanz gebeten. Erleichtert wandte Beatrice sich ab und hielt nach Ser Buornardi Ausschau. Sie hatte keine Lust zu tanzen und schlenderte langsam durch die prächtig dekorierten Räumlichkeiten des Palazzo. Zwergwüchsige Diener liefen mit Silbertabletts herum, die man auf ihrem Kopf befestigt hatte, so dass die Gäste nur nach den Köstlichkeiten greifen mussten, die an ihnen vorbeiliefen. Auf diese Weise probierte Beatrice nacheinander Wachtelpastete, Eier im Teigmantel und frische Datteln. Was immer sich ein verwöhnter Gaumen vorstellen konnte, schien es hier zu geben. Kein Wunder, dass die Feste der Connuccis in aller Munde waren.
Sie überlegte gerade, wie sie ihre Hände säubern könnte, als ein dunkelhäutiger Sklavenjunge
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