Die Tochter des Tuchhandlers
»Ich mache mir Sorgen um Euch, werter Freund.«
»Ohne Grund, Marchesa, ohne Grund.« Obwohl er sich tatsächlich nicht wohlfühlte, aber das lag daran, dass er selbst ein Schnüffler war und den Marchese zum Feind hatte, wenn dies herauskäme. Und er ahnte, dass dies nicht ratsam war.
X
Blutige Rosen
Seit dem Frühlingsfest der Connuccis waren über drei Wochen verstrichen. Beatrice stand im Kontor des Palazzo Buornardi und rechnete Bestandslisten auf. Die Arbeit lenkte sie ab, denn seit zwei Wochen wurde sie von Ãbelkeitsanfällen geplagt und wusste, dass sie ihre Schwangerschaft bald nicht länger verheimlichen konnte. Sobald ihr Zustand offiziell war, würde man sie behandeln wie ein rohes Ei, dauernd kämen Frauen zu Besuch, die Geschenke und Ratschläge brachten, und Lorenza würde ihr verbieten, ins Kontor zu gehen. Alles würde man ihr verbieten, aus Angst, es könne dem Kind schaden. Davor fürchtete sie sich am meisten. Untätigkeit und Isolation waren wie Folter für sie. Sie legte die Feder nieder und drehte den Kopf, weil ihr Nacken schmerzte.
»Macht eine Pause, Madonna.« Nardorus sah sie von seinem Pult aus an und lächelte. »Habe ich Euch schon gesagt, wie dankbar ich Euch bin?«
»Mehrfach. Aber noch sind die Stoffe nicht fertig. Also dankt mir nicht zu früh.« Vor seiner Abreise hatte ihr Vater einen Käufer für die blauen Stoffe mit Pflanzenmustern gefunden und von dem Erlös Material gekauft, aus dem einige Weber unter Ugos und Lelos Aufsicht Stoffbahnen mit wunderschönen Vögeln zwischen Ranken und Blumen schufen. Ãberhaupt hatte sich Ser Rimortelli angetan gezeigt von den Weberbrüdern und deren Kunstfertigkeit. Die da Sestos würden sich in Zukunft andere Weber für ihre Stoffe suchen müssen. Beatrice blätterte den Stapel Papiere durch, der neben ihr lag, nahm eine Schnur und band die Blätter sorgfältig zusammen. »Erledigt. Die Lagerbestände hier in Lucca sind vollständig.«
Als sie den zusammengebundenen Stapel aufhob, um ihn in einem Schrank zu verstauen, fiel ihr Blick auf den Brief aus Antwerpen, der seit diesem Vormittag auf ihrem Tisch lag. Inzwischen waren ihr Alessandros Siegel und seine Handschrift vertraut. Eigentlich hätte sie ihn Ser Buornardi vorlesen sollen, doch er war nicht in bester Verfassung, klagte häufig über Schmerzen in der Brust und lieà sich seit Tagen nur selten im Kontor sehen. Sie stopfte den Brief in den Ãrmel ihres Kleides. »Davon werde ich ihm später berichten«, meinte sie seufzend zu Agostino.
»Momentan würde ihn das viel zu sehr aufregen. Die Börse ist ein Kartenhaus, ein WindstoÃ, und alles bricht zusammen. Manchmal wünsche ich mir die Zeiten zurück, in denen nur der Anblick von Golddukaten ein Geschäft besiegelte. Gab es nicht Gerüchte über einen Vertrag zwischen dem Kaiser und Clemens?«
Beatrice nickte. Wetterwendischer und launischer, als je eine Frau es sein könnte, war die päpstliche Politik. »Ja, aber ich glaube nicht an einen dauerhaften Frieden. Warum lässt der Kaiser die Truppen dann weiter zum Apennin hinunterziehen? Das sieht eher nach Bedrohung als nach Entspannung aus.« Sie öffnete einen Fensterflügel und sah auf die StraÃe hinunter, wo Kinder ungeachtet des Gestanks von Dung und Abwässern zwischen beladenen Eselskarren herumtollten. »Der Magistrat sollte sich lieber um die Abwasserkanäle kümmern, anstatt sich dauernd neue Steuergesetze auszudenken.«
Nardorus grinste schief. »Steuern bringen Geld, die Kanäle zu überholen kostet Geld. Wer hat eigentlich das Recht für die Wein- und Gewichtssteuern gekauft?«
»Ein Notar, wie war sein Name â¦Â« Beatrice überlegte. »Ach, egal, soll er sich damit herumschlagen. Es ist eine Sache, das Eintreiberecht zu ersteigern, aber eine andere, die Steuern abzuzahlen und dann tatsächlich noch einen Gewinn zu erwirtschaften.« Meist waren es Männer aus niederen Ständen oder eben Notare, die bei den jährlichen Versteigerungen die Rechte zum Steuereintreiben erstanden. Seltener lieÃen sich die Noblen dazu herab, und wenn, dann waren es Söhne aus Nebenlinien, wie bei den Poggios. Trotz des Aufstands, den Vincente und Arrigo Poggio angezettelt hatten, unterschieden die Luccheser zwischen den Verrätern und dem unbeteiligten Zweig der Familie.
Beatrice verlieÃ
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