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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Nachmittagssonne war im Sinken begriffen und blendete sie, als sie durch die Arkaden in den Hof trat.
    Dort schien etwas geschehen zu sein. Knechte und Diener rannten wild durcheinander. Die Jagdhunde bellten und liefen aufgeregt herum. Packpferde, Kisten und Truhen füllten den Hof, und da stand Federicos Pferd, ein Brauner, der nervös hin und her tänzelte. Jemand schrie nach einem Arzt, und Beatrice sah eine Trage, die zugedeckt neben dem Reisegepäck stand. Andrea stand, selbst am Arm verletzt, unglücklich daneben und winkte ab, als sie voller böser Vorahnungen näher kam.
    Â»Nein, geht ins Haus, Madonna. Das ist kein Anblick für Euch! Wir haben schon nach einem Arzt geschickt.«
    Doch Beatrice ließ sich nicht abwehren, sondern zwängte sich zwischen den Männern hindurch, bis sie vor der Trage stand, auf der Federico lag. »Mein Gott!«, flüsterte sie und ließ die Blumen fallen.
    Federico lag regungslos mit geschlossenen Augen und bleichem Gesicht vor ihr. Sein linker Arm fiel von der Trage, und Blut tropfte aus einer Schnittwunde an seiner Hand. Die Männer waren sehr still, als sie das Tuch von seinem Körper zurückzog und den Verband an seinem Oberschenkel sah, durch den dunkles Blut sickerte. Wenn eine der Hauptadern verletzt war, konnte er verbluten.
    Â»Fabio!«, rief sie, und der junge Knecht war sofort zur Stelle.
    Â»Geh zu Ismail Ansari in der Via Fatinelli, erster Stock. Sag ihm, es geht um Leben und Tod. Er soll sofort herkommen! Lauf! Schnell, Fabio!«
    Nach einem ängstlichen Blick auf den bewusstlosen Federico sprang Fabio auf den Rücken eines der Reisepferde, das noch von einem Knecht gehalten wurde, und preschte davon.
    Â»Andrea, wir brauchen heißes Wasser und saubere Tücher. Du, gib mir einen Stock.« Sie hatte einen der Knechte angesprochen, die wie erstarrt neben ihr standen. »Glotz nicht! Gib mir einen Stock, irgendwas, los!«
    Behände riss sie einen Streifen des Tuches ab, mit dem die Männer Federico zugedeckt hatten, und wickelte ihn oberhalb der Wunde um den Oberschenkel. Das Blut trat jetzt pulsierend durch den Verband.
    Â»Hier, Herrin. Geht das?« Der Knecht, ein grobschlächtiger Mann, dessen Gesichtsfarbe zwischen Gelb und Grau wechselte, hielt ihr einen Stock hin, an dessen Ende ein goldener Knauf mit einem Stein saß – Ser Buornardis Gehstock! Erschrocken sah Beatrice auf und dem alten Mann direkt in sein aschfahles Gesicht.
    Â»Zu lang!«, sagte Beatrice.
    Ser Buornardi fauchte: »Brich ihn durch, mach schon!«
    Mit lautem Krachen brach der Knecht den Stock über seinem Bein in zwei Hälften. Die kleinere reichte er Beatrice, die das Holzstück in das Tuch knotete und es darin drehte, bis die Blutung aufhörte.
    In diesem Moment ertönte Lorenzas schrille Stimme. »Der Arzt ist da! Geht alle weg. Lasst den Arzt zu ihm! Mein Sohn, Himmel, mein Sohn!« Sie schrie hysterisch und raufte sich die Haare, als sie die Blutlache unter Federicos Trage und den Bewusstlosen sah.
    Beatrice sagte leise zu Ser Buornardi: »Schickt den Medicus weg. Er wird ihn umbringen. Ismail Ansari wird jeden Moment hier sein. Er ist der Einzige, der ihn retten kann. Bitte, vertraut mir!«, flehte sie den alten Mann an, der regungslos neben ihr stand.
    Der behäbige Medicus schob sich mit wichtiger Miene durch die Menschen, die immer zahlreicher in den Hof strömten. Seine wässrigen Augen schauten gleichmütig, als er den Verletzten sah. »Wenn die Wunden schwären, müssen wir ihn zur Ader lassen …«
    Doch Ser Buornardi hob gebieterisch seine Hand. »Wir benötigen Euch nicht. Kümmert Euch um meine Frau. Gebt ihr Riechsalz oder sonst etwas, damit sie nicht ohnmächtig wird.«
    Hinter sich hörte Beatrice einen spitzen Schrei. Signora Buornardi war tatsächlich in Ohnmacht gefallen und wurde mit Hilfe von drei Knechten ins Haus verfrachtet.
    Ungeduldig sah Beatrice zum Tor. Endlich hörte sie Hufgetrappel, und wenig später kam Fabio um die Ecke galoppiert. Ismail Ansari hielt sich krampfhaft an ihm fest. Das Pferd schnaubte, als es zum Stehen kam. Beide Männer waren außer Atem, doch der persische Arzt sprang trotz seiner wehenden Gewänder gelenkig hinter Fabio aus dem Sattel. Er war von hagerer Gestalt, trug die Tracht seiner Landsleute und schräg über der Schulter eine Arzneitasche, von der er sich nie trennte. Sein langer, grauweißer

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