Die Tochter des Tuchhandlers
von Federico. Wer kann das Gegenteil beweisen?«
»Vielleicht nicht jetzt, aber wenn das Kind da ist, sieht es anders aus. Ich könnte schwören, dass mein Bruder nicht der Vater ist, aber er ist Euch leider hörig, dieser Narr. Warum solltet Ihr das Kind dem Marchese unterschieben wollen? Er lässt sich nicht von Euch manipulieren. Bei mir hättet Ihr auch kein so leichtes Spiel.« Er kannte zu viele Frauen, die wie Marcina waren, und wusste um ihre kleinen Tricks, mit denen sie ahnungslosen Männern uneheliche Kinder unterschoben. »Ihr hättet das Leben einer ehrbaren Witwe führen sollen, Marcina, aber Ihr seid genauso verderbt wie Euer Bruder Filippo. Jetzt ist es zu spät, und niemand in Lucca wird Euch je wieder zu einem gesellschaftlichen Ereignis einladen.«
Marcina lachte kurz auf. »Und Ihr glaubt, dass mir das Angst macht? Federico liebt mich, er braucht mich. Gut, er hat mich nicht geheiratet, aber er wird einsehen, dass er mit diesem blassen Nymphchen eine Fehlkalkulation begangen hat. Ich werde seinen Sohn zur Welt bringen, seinen Sohn und Erben! Wer weiÃ, ob sie Kinder gebären kann, lebensfähige Kinder?«
Wütend packte Tomeo sie und drückte ihr die Kehle zu, dass sie gerade noch genügend Luft zum Atmen bekam. Sie röchelte und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch gegen seine Kraft war sie machtlos. »Ihr habt eine Abmachung mit meinem Bruder getroffen. Daran werdet Ihr Euch halten! Ihr werdet Euch von Beatrice fernhalten. Sie ist unschuldig und soll nicht von Euch in den Dreck gezogen werden. Widersetzt Ihr Euch, werde ich nicht zögern, das zu vollenden, was ich hier begonnen habe!« Er drückte fester zu und sah, wie ihr Gesicht dunkelrot anlief. Ihr Mund öffnete sich in echter Todesangst, und ihre Arme sanken matt nach unten. Bevor sie ohnmächtig wurde, stieà er sie von sich.
Zu der am Boden kauernden Frau, an deren Hals dunkle Würgemale sichtbar wurden, sagte er: »Mir ist das Töten nicht fremd, Marcina, und manchmal macht es mir sogar Freude â¦Â«
Keuchend stützte sie sich mit den Armen auf und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. »Das wird Euch noch leidtun!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber es waren nicht Tränen des Schmerzes, sondern von ohnmächtiger Wut.
Von Abscheu erfüllt wandte Tomeo sich um und ging durch den orientalischen Salon hinaus. Faustina hatte dort auf ihn gewartet und begleitete ihn hinunter zur Eingangstür. Auf der StraÃe vor dem Palazzo spuckte er aus. In seinem Zorn war er zu weit gegangen. Er stieà mit einem einäugigen Bettler zusammen und fluchte. Wenn sein Kommando es erlaubte, würde er über Lucca zurück zur Truppe reisen. Er musste mit Federico sprechen und ihn davon überzeugen, dass Marcina ein falsches Spiel mit ihm trieb. Aber würde Federico ihm überhaupt zuhören? Während er einem Ochsenkarren auswich, gestand er sich ein, dass seine Sorge mehr Beatrice als seinem Bruder galt, und das lieà sich vor Federico kaum rechtfertigen.
XII
Der Brief
Die Beerdigung war vorüber. Erschöpft stieg Beatrice die Treppe zu ihren Gemächern hinauf. Es war die zweite Maiwoche, und langsam kündigte sich die kommende Sommerhitze an. Im Haus war es noch kühl, wenn auch drückend, und Beatrice sehnte sich nach der frischen Luft im contado. Jeder Luccheser, der es sich leisten konnte, besaà eine Villa im Umland von Lucca. Ihren Eltern gehörten Land und ein umgebautes Bauernhaus in der Nähe von Gragnano, nicht weit von der Via Pesciatina. Die Villa Rimortelli war eine Kate im Vergleich zu den Anwesen der Familien Arnolfini, Bottini, Tegrimi und Valenti, die ebenfalls bei Gragnano lagen. Seufzend hielt Beatrice sich am Treppengeländer fest. Ihr Leib wurde sichtbar runder, und sie fühlte sich oft müde und niedergeschlagen.
Langsam ging sie weiter. Die Buornardis hatten ihren Landsitz in Matraia, nördlich von Lucca, noch oberhalb von San Pancrazio, wo die Via Lombarda hinauf zum Apennin führte. Dort befanden sich die traditionellen Jagdgründe der Guinigis. Nicht weit von der Palazzina Guinigi lag die Palazzina Chiariti, und östlich davon die Villa Buornardi. Gesehen hatte sie das Haus noch nicht, aber sie wusste, dass es bald mit kostbaren Stoffen ausgestattet werden würde. »Lieber Gott, lass die Weber schneller arbeiten!«, murmelte sie und nahm die letzten
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