Die Tochter des Tuchhandlers
Treppenstufen. Das Einarbeiten der Vögel hatte sich als zeitraubender herausgestellt als geplant, und dann hatte Lelo sich auch noch bei einer Prügelei einen Finger gebrochen.
Auf dem Treppenabsatz stemmte sie die Hände in die Hüften und atmete mehrmals tief ein und aus.
»Madonna, ist alles in Ordnung mit Euch?« Ines eilte mit flinken Schritten die Treppe herauf und wollte ihrer Herrin einen Arm zum Aufstützen reichen.
»Ich bin nicht krank, Ines, nur schwanger.«
Ohne auf sie zu hören, schlang Ines ihren Arm um Beatrices Hüften und drehte sie im Gehen Richtung Schlafzimmer. »Ihr braucht Ruhe. Am besten, Ihr schlaft ein wenig. Die letzten Tage waren anstrengend und kräftezehrend.«
Beatrice zerrte an ihren aufgesteckten Haaren. »Ich kann nichts ertragen, was mich drückt oder einengt.«
Geschickt zog Ines Kämme und Klemmen aus den Locken ihrer Herrin und lieà sie in eine Tasche ihres Rockes gleiten. »Besser?«
»Ja.«
»Das ist bei vielen Frauen während der Schwangerschaft so. Tut einfach nur, wonach Euch ist.«
»Darf ich weglaufen und mir wünschen, dass alles nur ein Albtraum war, aus dem ich morgen im Haus meiner Eltern erwache?«
»Sprecht nicht so, damit macht Ihr mich traurig und das Kind auch, das jetzt in Euch heranwächst.« Sie standen vor Beatrices Schlafzimmer. Ines öffnete die Tür und wartete, bis Beatrice vor ihrem Bett stand. Dort schnürte sie ihr das Mieder auf. »Jetzt legt Euch hin und ich hole etwas, das Euch das Schlafen erleichtert.«
Gehorsam legte Beatrice sich nieder, doch auch nachdem Ines ihr ein Glas Gewürzwein mit Honig gebracht hatte, kam sie nicht zur Ruhe. Sobald sie ihre Augen schloss, sah sie Ser Buornardi vor sich, wie er auf dem Boden des Kontors lag, die Hände um den Brief gekrallt, der das Schicksal seiner Familie bestimmen konnte. Wieder und wieder hatte Beatrice den Brief hervorgeholt und sich vorzustellen versucht, wer hinter einem Verrat an der Republik stehen konnte. Und damit verbunden war der Gedanke an denjenigen, der dem päpstlichen Legaten einen Dolch in den Leib gerammt hatte, um das zu verhindern. Beide Taten waren unehrenhaft, unabhängig davon, welches Motiv dahinterstand. Aber so dachte wahrscheinlich nur eine Frau.
Federicos Wunde verheilte gut, und dank Ansaris Heilkunst würde er wieder laufen können und nichts als eine groÃe Narbe zurückbehalten. Die Nachricht vom Tod seines Vaters hatte er mit groÃer Beherrschung aufgenommen, doch man sah ihm an, dass er litt. Tagsüber ging er ins Kontor oder saà in seinem studiolo . Nach dem Essen zog er sich sofort zurück und sprach mit niemandem. Connucci, Eredi Vecoli und viele Edle der Stadt waren auf der Beerdigung gewesen, doch Besuche lehnte Federico ab, sehr zum Ãrger seiner Mutter, die sich seinen Anweisungen zähneknirschend fügte.
Entschlossen stand Beatrice auf, zog, so gut es ging, das Mieder zusammen und öffnete leise die Tür, um Ines nicht zu wecken. Auf dem Gang sah sie Andrea aus Federicos Räumen kommen. »Wo ist dein Herr?«
»Im studiolo , Madonna, aber er wünscht, nicht gestört zu werden.« Um seine Lippen spielte ein herausforderndes Lächeln.
»Sag ihm, ich wünsche ihn zu sprechen, jetzt.«
»Aber â¦Â«
»Tu es einfach!«, schnitt sie ihm das Wort ab, und Andrea gehorchte.
Ohne darauf zu warten, dass sie hineingebeten wurde, betrat sie das studiolo ihres Mannes. Als Federico sie sah, stand er auf, noch etwas unbeholfen und mit Hilfe eines Stocks. Mit einem Wink schickte er Andrea hinaus und bot Beatrice einen Stuhl an.
»Bitte, Madonna, nehmt Platz. Ihr seht blass aus.«
Sie setzte sich und zog den Brief aus einem Beutel. Seit Buornardis Tod hatte sie den Brief bei sich getragen. Sie musste endlich Klarheit haben. Federico lehnte ihr gegenüber an seinem Arbeitstisch. Seine Augen weiteten sich, als er das blutbefleckte Schreiben sah.
»Was ist das?«
»Ich habe es von Eurem Vater.«
»Erklärt das!«
»Es ist an Euch, zu erklären. Nachdem Euer Vater das hier gelesen hat, ist er zusammengebrochen. Er dachte wohl dasselbe wie ich.« Sie gab ihm den Brief und beobachtete ihn, während er las. Er schien überrascht. Das war nicht die Haltung eines ertappten Mörders.
AnschlieÃend musterte er sie schweigend. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Seine Augen nahmen einen
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