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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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den Händen.
    Â»Schau dir den Alten an! Der große Gelehrte, der Sekretär unseres Papstes pisst sich in die Hosen vor Angst!« Der Mann mit der Zange lachte. Er hatte kurzes braunes Haar und eine lange Narbe von der Nase hinunter zum Hals. Er wollte auf Mari zugehen, wurde jedoch von seinem Kameraden festgehalten, der mehr Verstand zu haben schien.
    Â»Wenn er etwas wüsste, hätte er es uns jetzt gesagt. Ich meine, er weiß, dass er die nächste Runde nicht überleben wird. Hat nichts zu verlieren. Eh, segretario !« Der andere nahm seine Peitsche aus dem Gürtel und knallte vor Mari damit auf den Boden, dass der alte Mann zusammenzuckte.
    Schlag mich, dachte Mari, ich habe nichts zu sagen. Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist, begann er stumm zu beten.
    Â»Der nächste trifft. Noch einmal frage ich dich: Wen sollte Agozzini hier in Lucca treffen? Wir wissen, dass er mit einem Auftrag hier war. Jeder Trottel kann sich denken, dass der Papst die Medici in Florenz wieder an die Macht bringen will. Wer sollte ihm dabei helfen? Wer ist der große Planer? Mach den Mund auf, du nutzloser Pfaffe! Mein Herr wird langsam ungeduldig!«
    Die Tränen liefen Mari aus dem gesunden Auge, als er den Kopf hob. »Ich weiß es wirklich nicht! Ich könnte Euch eine Lüge auftischen, aber wozu? Flamini hatte Agozzini mit einem Brief hierhergeschickt, um einen Verbündeten zu treffen, der den Medici helfen wollte. Aber selbst Flamini kannte seinen Namen nicht. Flamini ist die rechte Hand des Heiligen Vaters, aber selbst er wird nicht in alles eingeweiht. Ich bin nur hier, um den Tod Agozzinis aufzuklären und den Verbündeten zu finden. Versteht doch! Ich soll ihn finden!«
    Der Mann mit der langen Narbe schnaubte. »Was für eine Lügengeschichte. Wieso weiß Flamini nicht, wer sein Mann in Lucca ist? Das ist doch Unfug!«
    Â»Nicht unbedingt. Lucca ist Kaiserstadt. Wenn sich jemand aus Lucca zum Papst bekennt und noch dazu mit den Medici konspiriert, riskiert er sein Leben. Ich wäre da auch höchst vorsichtig. Der große Unbekannte weiß ja nicht, ob Mari beobachtet wird«, gab einer der Knechte zu bedenken.
    Hoffnung keimte in Alberto Mari auf, als er die Worte des Peitschenträgers hörte. »Das habe ich die ganze Zeit versucht zu erklären. Der Verbündete hält sich aus Furcht vor Entdeckung zurück.«
    Â»Dann finden wir ihn doch nie!«, sagte der erste Peiniger.
    Â»Es braucht eben eine List, aber das ist nicht unsere Aufgabe. Das soll sich unser Herr ausdenken. Eh, segretario , du hast Glück.« Zum Wärter sagte er: »Bring ihm eine gute Mahlzeit. Wir kommen wieder.«
    Die beiden verschwanden, und die Tür fiel mit dumpfem Dröhnen ins Schloss. Seufzend erhob sich Mari und sandte ein Stoßgebet zum Himmel. »Ich habe manches Mal an dir gezweifelt, aber jetzt weiß ich, dass es dich gibt …«
    Bis zur Rückkehr des Wärters verging einige Zeit, in der Mari auf dem Stroh hockte und sich schämte, dass er sich so schwach gezeigt hatte. Der Kerkermeister stellte ein Tablett mit dünnem Gewürzwein, Brot, einer Schale Hafergrütze und einem Stück Schinken auf einen Schemel. Gierig machte sich Mari über das Essen her. Der Wein stieg ihm sofort zu Kopf, doch die berauschende Wärme war angenehm und milderte seine Schmerzen für einige Minuten. Den Schinken konnte er nicht beißen, doch er lutschte an dem harten Bissen. Allein der salzige Geschmack belebte seine Sinne und ließ ihn glauben, dass er noch ein Mensch war.
    Es war bereits dunkel, als die Tür erneut aufschwang und der klügere der beiden Knechte mit einem vornehm gekleideten Mann eintrat. Eine Fackel wurde in einen Halter neben der Tür gesteckt. Soweit Mari es erkennen konnte, trug der Unbekannte Lederstiefel, Beinkleider und ein Hemd aus feinstem Leinen, das Wams war aus schimmerndem, dunkelviolettem Brokat. Haare und Gesicht waren unter einer Maske verborgen, und er hielt sich im Schatten des Verlieses, so dass Mari mit seinem verbliebenen Auge kaum etwas erkennen konnte. Der Knecht nahm ein Bündel von seiner Schulter und warf es dem gepeinigten Sekretär vor die Füße.
    Â»Hier, zieh das an. Du stinkst wie eine Kloake!«
    Â»Und wo kann ich mich waschen?« Anscheinend hatten sie eine Aufgabe für ihn ersonnen. Aber vorher wollte er sich zumindest notdürftig reinigen.
    Fragend sah der

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