Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
glaube
das nicht. Ich halte es sogar für unmöglich.« Martha strich sich energisch eine
Strähne aus dem Gesicht. »Die beiden haben keinen Grund, mich zu verraten.«
»Vielleicht
wurden sie bedroht.«
»Womit denn?
Wenn Sieglinde einen Cornelius aufbietet, um dich loszuwerden, wie gefährlich ist
dann ihr weiteres Personal?«
»Wie meinst
du das?«
»Cornelius
ist ein sanfter Mann. Er tut nichts Unmoralisches, es sei denn, jemand zwingt ihn
dazu, oder er ist überzeugt davon, es tun zu müssen. Er ist kein Verbrecher, und
wäre er ein richtiger Entführer, dann wärest du jetzt nicht hier bei mir.«
»Ich wüsste
gern, warum sie solche Sachen tut. Warum hasst sie mich so?«
»Das ist
doch nicht so schwer zu verstehen. Denk ein bisschen nach. Du kennst deine Schwester.
Von mir wirst du die Wahrheit nicht hören.«
Es blieb
das einzige Gespräch, das sie über Sieglinde führten. Ein paar Tage später begannen
die Vorbereitungen für die Rückreise. Es fiel Jolanthe trotz allem schwer, Abschied
von Venedig zu nehmen, und sie schwor sich, dass ihr nächster Aufenthalt in dieser
Stadt unter einem günstigeren Stern stehen würde.
Schließlich
ritten sie los. Die anfänglichen Schmerzen abends, wenn sie sich hinlegte, vergingen.
Ihr Körper gewöhnte sich wieder an die langen Zeiten im Sattel. Auch jetzt ließen
sie Martha und Pascal nicht aus den Augen, ganz gleich, ob sie in der Gruppe ritt,
auf ihrem Nachtlager lag, sogar den Abort durfte sie nur mit Marthas Begleitung
aufsuchen. Der Überfall auf sie in dem Kloster auf dem Hinweg hatte durch die Geschehnisse
mit Cornelius eine neue Bedeutung bekommen, und Pascal erinnerte sich genau daran.
In Innsbruck
machten sie einige Tage halt, da ein paar ihrer Mitreisenden dort Geschäfte tätigen
wollten. Jolanthe ergriff die Gelegenheit und zog mit Martha los, um sich bei den
Kaufleuten umzuhören. In der Tat verkaufte sie schließlich einen guten Teil ihrer
Gewürze an einen Kaufmann, der Ware aus dem Norden hertransportiert hatte und nun
auf der Suche nach Dingen war, die er zurück in seine Heimat bringen konnte.
Um als ernst
zu nehmende Geschäftspartnerin angesehen zu werden, gab sie sich als Kaufmannswitwe
aus, die für ihren kleinen Sohn das Unternehmen erhalten musste, und das wurde angenommen.
Schließlich kam so etwas häufiger vor, das wusste sie mittlerweile, und hier in
der fremden Stadt kannte niemand ihre Hintergründe. Das machte es einfacher, in
eine andere Rolle zu schlüpfen. Mit Martha als Begleitung fühlte sie sich sicher,
und sie war stolz, dass ihr die Dinge gelangen, die sie anpackte.
Als sie
Pascal das Geld oben in seiner Kammer zurückzahlte, um ihren Schmuck auszulösen,
schaute er sie fragend an. Sie erzählte ihm vom Verkauf, von dem guten Gewinn, den
sie dabei gemacht hatte, und er nickte nur.
»Warum so
distanziert? Freust du dich nicht?«, fragte sie irritiert.
»Du sollst
mir keine Zinsen geben.« Er nahm ihre Hand und legte ein paar der Münzen, die sie
ihm gegeben hatte, hinein. Dann gab er ihr die Schatulle mit ihren Wertsachen.
»Wenn du
glaubst, ich wüsste nicht, dass du für mich die ganze Reise bezahlt hast, dann …«,
sie wollte ihn necken und schlug einen leichten Ton an, doch er ging nicht darauf
ein.
»Warum fällt
es dir so schwer, etwas anzunehmen? Sieh es als Geschenk. Ich habe mit Freude für
dich bezahlt.«
»Du bist
so ernst.«
»Wenn du
meinst …«
»Machst
du dir Sorgen?«, bohrte sie weiter nach, doch er wich wieder aus und zog sie in
den Flur.
»Jetzt lass
uns dein gutes Geschäft in der Gaststube unten feiern. Wo ist Martha?«
Kapitel 31
Das Wasser tropfte von den Blättern
der Blumen, aber Sieglinde goss erneut einen Schwall nach. Ihr gefielen die Veilchen
nicht, die Jolanthe auf dem Fenstersims des Kontors in Holzkästen gepflanzt hatte,
aber sie hatte noch nicht die Muße gefunden, sie durch andere Blumen zu ersetzen.
Und irgendwie scheute sie sich auch davor. Sie goss trotzdem, denn vertrocknete
Pflanzen wollte sie nicht haben, das sah nachlässig aus, die Nachbarn würden reden.
Was Jolanthe wohl gerade tat?
Sie zupfte
ein paar verdorrte Blätter ab und dachte an die Rückkehr von Cornelius vor einigen
Tagen. Sie war dabei gewesen, als er Winald getroffen hatte, wollte ihn unterstützen,
das Gespräch in die richtigen Bahnen lenken und den Ärger des Vaters ebenso. Dann
aber musste sie feststellen, dass Winald keinesfalls vor Zorn bebte. Er schien stattdessen
die alleinige Schuld bei
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