Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
mit zwei Schritten bei ihm, setzte sich neben ihn auf das Bett und tätschelte
seine Hand.
»Natürlich
nicht. Ich wollte doch nur sagen, dass der Zunftmeister vollkommen recht hat. Ich
darf mich nicht länger meiner Verantwortung als älteste Tochter verweigern. Deshalb
habe ich bereits alles in die Wege geleitet und die Gunst des angesehenen Kaufmanns
Vico erobern können. Auch der Herr Pascal interessiert sich für mich. Ihr habt also
die Wahl, Vater. Verheiratet mich mit einem von beiden. Dann herrscht Ordnung im
Kontor und Ihr könnt in Ruhe gesund werden.«
Soso, Pascal
wollte etwas von Sieglinde. Hätte ich mir denken können.Jolanthe verschränkte
die Arme vor der Brust und versuchte, sich auf die Antwort des Vaters zu konzentrieren.
»Ich fürchte,
der Lechner wird nicht locker lassen.« Er schien zu überlegen. »Aber dieser Pascal
kommt mir nicht ins Haus. Nie mehr!«
»Vater!«,
griff Jolanthe ein. »Bitte überstürzt nichts. Ich sagte doch, Cornelius und ich,
wir haben alles unter Kontrolle.« Jolanthe wusste, dass sie sich wiederholte, doch
sie hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
»Bring mir
Vico her«, fuhr Winald mit müder Stimme fort. »Ich kenne seinen Vater gut. Hat ein
kleines Kontor, aber grundsolide. Der Sohn führt es seit einem Jahr. Ist ein bisschen
unerfahren, hatte ein, zwei schlechte Einkäufe. Ich kann ihm sicher einiges beibringen.
Man könnte sein Kontor gut mit dem Unsrigen verbinden. Ja, bring ihn her. So bald
wie möglich.«
»Das werde
ich«, antwortete Sieglinde, ohne die Schwester anzusehen. Sie nötigte Winald sich
hinzulegen und flößte ihm einen Trank aus einem Becher ein. Jolanthe verließ das
Zimmer. Wenn Vico Sieglinde heiratete und gemeinsam mit dem Vater die Geschäfte
im Kontor übernahm, welcher Platz blieb dann noch für sie?
Sieglinde
folgte ihr kurze Zeit später, Jolanthe hatte am Fuße der Treppe auf sie gewartet.
Mit jedem Wimpernschlag, den sie nach oben starrte, wurde sie wütender.
»Es reicht
dir also nicht, Herrin über den Haushalt zu sein?«, fragte sie.
»Du lebst
in einer anderen Welt, liebe Schwester.«
»Und du
willst über einen Ehemann wie Vico auch noch Macht über Vaters Kontor bekommen.
Dann gehört dir alles!« Sie hatte den Nagel wohl auf den Kopf getroffen, denn die
Schwester wich ihrem Blick aus.
»Wach auf.
Du bist ein Mädchen und willst ein Kontor leiten?« Sieglinde lachte und schob sich
an Jolanthe vorbei.
»Du hättest
mir vertrauen können. Ich habe in den Jahren genug gelernt. Wegen mir musst du nicht
heiraten, das ist deine eigene Entscheidung.«
»Eine, die
uns alle retten wird. Ich weiß am besten, was wir jetzt brauchen.«
»Das sagst
du immer.« Bitter stießen Jolanthe die Worte auf. Sie wischte über die Augenwinkel
und spürte die alte Rivalität stärker denn je.
»Du stürzt
uns noch ins Unglück mit deiner Überheblichkeit«, war das Einzige, was Sieglinde
antwortete. Dann ging sie in die Küche und schob die Tür hinter sich zu.
Kapitel 9
Gleich am Folgetag erschien Pascal,
doch er hielt sich nicht lange bei Winald auf. Jolanthe vermutete, dass er wegen
Sieglinde vorsprach und war nicht auf seine Neckereien eingegangen, als sie ihm
bei seiner Ankunft über den Weg lief. Stattdessen verkroch sie sich im Kontor und
sah ihn kurze Zeit darauf die Straße entlanghasten, so als triebe ihn Ärger an.
Sie konnte sich denken, dass Winald ihn hochkant hinausgeworfen hatte, und die Genugtuung,
die sie deswegen erfüllte, fühlte sich gut an.
Vico kam
kurze Zeit später. Er blieb deutlich länger beim Vater. Jolanthe, die ihre Sorge
nicht bezähmen konnte, schlich mit einem Vorwand ins Zimmer. Die beiden Männer beachteten
sie nicht. Einträchtig saßen sie beisammen, Vico auf einem Stuhl neben Winalds Bett,
und sinnierten über Geschäftspraktiken. Jolanthe kannte Vico ein wenig, und aus
dem, was sie von dem Gespräch mitbekam, wurde ihr schnell klar, warum der Vater
angetan war von der Idee, ihn als seinen Schwiegersohn zu bekommen. Vico schien
ihr formbar und genauso rückständig in seinen Ansichten wie Winald selbst.
Sie blieb,
als der Vater seinen Besuch verabschiedet hatte. Da Sieglinde ihren Zukünftigen
hinausgeleitete, bekam Jolanthe die seltene Gelegenheit, mit ihrem Vater allein
zu sprechen. Das beschloss sie zu nutzen.
»Wollt Ihr
diesem aufgeblasenen Angeber wirklich unser Kontor überlassen?«, fragte sie. Sie
war sich bewusst, dass sie sich trotzig anhörte.
»Ich überlasse
ihm gar
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