Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
nichts. Er geht mir zur Hand, und das wird er gut tun. Zudem bringt er ein
kleines Unternehmen mit ein, das darf man nicht verachten.« Winald lehnte sich in
seinem Bett zurück und schien seit Tagen zum ersten Mal wieder zuversichtlich zu
sein.
»Ich gehe
Euch gut genug zur Hand.«
»Mein Kind,
komm her.« Er klopfte neben sich auf das Bett, und Jolanthe setzte sich zu ihm.
Es gab Augenblicke, in denen fühlte sie sich ihm gegenüber wie ein kleines Mädchen.
Dies war so ein Zeitpunkt. Hilflos zog sie die Schultern hoch. Es war ihr nicht
möglich, die Enttäuschung zu verstecken.
»Es ist
nicht recht. Bitte denkt noch einmal nach.«
»Du und
Sieglinde, ihr seid mir beide lieb und teuer, das weißt du. Doch die Dinge lassen
sich nun mal nicht aufhalten, und mit Vico haben wir eine gute Wahl getroffen.«
»Er ist
unerfahren, das sagtet Ihr selbst.«
»Ich weiß
ja, du möchtest die Bücher führen. Keiner wird dir das streitig machen.« Er seufzte.
»Aber denke an deine Schwester. Sie ist wahrlich alt genug. Willst du ihrem Glück
im Weg stehen?«
Jolanthe
schüttelte den Kopf.
»Du wirst
sehen, es wird sich alles fügen. Und nun geh. Ich brauche Ruhe, die letzten Tage
haben mich angestrengt.«
Jolanthe
erhob sich und sah in sein bleiches Gesicht, das vor Kurzem noch so voller Vitalität
und Leben war. Die Sorge um ihn überdeckte alle anderen Empfindungen. Sie zog die
Decke zurecht, dann ging sie aus dem Zimmer, geradewegs nach unten, nahm sich ihren
Umhang und verließ das Haus.
Erst als sie an der Donau saß und
dem trüben Wasser zusah, kam sie ein wenig zur Ruhe. Wenn Vico und der Vater gemeinsam
wirtschafteten, würde es ihr noch schwerer fallen, Neuerungen durchzusetzen. Es
war ja jetzt schier unmöglich. Winald war stur und verschloss sich gegen alles Neue.
Doch wenn er schon kaum etwas gelten ließ, wie sehr würde Vico auf eine junge Frau
hören? Im Zweifelsfall gar nicht.
Sie dachte
an ihren Einfall, in den Gewürzhandel einzusteigen. Die Erkundigungen, die sie sich
vorgenommen hatte, waren durch Winalds Unfall in den Hintergrund geraten, vergessen
hatte sie das alles aber nicht. Sie hielt es für richtig und wichtig.
»So allein?«
Jolanthe
schrak zusammen. Als sie hochblickte, sah sie, dass Pascal einen Schritt neben ihr
stand. Er setzte sich, ohne ihre Zustimmung zu erbitten.
»Seid Ihr
mir gefolgt?«
»Sehe ich
so aus?« Er schien guter Laune zu sein. Dass er seine Abfuhr bei Winald so schnell
verdaut hatte, fand sie befremdlich.
»Was wollt
Ihr von mir?«
»Eine kleine
Unterhaltung. Wie es scheint, seid Ihr traurig. Vielleicht kann ich helfen?«
Jolanthe
zog die Beine an, umfasste sie und legte das Kinn auf die Knie. »Wie Ihr sicher
bereits wisst, wird meine Schwester den Kaufmann Vico Kunzelmann heiraten. Mein
Vater ist sehr angetan von ihm. Ich vermute, das wird sich schnell herumsprechen.«
Pascal pfiff
durch die Zähne und sagte nur: »Oho!«, so als sei diese Nachricht eine Neuigkeit
für ihn.
Jolanthe
betrachtete ihn von der Seite. Nein, er schien nicht zu schauspielern.
»Ich sollte
mich für sie freuen.« Sie schaute erneut auf das Wasser und warf einen trockenen
Ast, der mit einem Platschen aufschlug, um dann, halb herausragend, wegzutreiben.
»Was Ihr
nicht tut, aus naheliegenden Gründen.«
»Und die
wären?« So langsam gefiel ihr das Geplänkel. Es war wie ein Spiel, bei dem die Gegner
ihre Einsätze so lange zurückhielten wie möglich.
»Ihr werdet
im Kontor nicht mehr so schalten und walten können wie bisher.«
Jolanthe
hielt die Luft an. Er hatte sie schneller durchschaut, als ihr lieb war. Er musste
sie sehr gut beobachtet haben.
»Getroffen«,
sagte sie nur.
»Ich könnte
Euch helfen«, meinte er nach einer Pause.
»Das wäre
nett von Euch, doch ich sehe nicht wie. Wir kennen uns kaum. Mein Vater scheint
Euch zu hassen – aus welchem Grund auch immer. Meine Schwester …«
»Ihr könnt
mir vertrauen. Ich gebe Euch mein Wort.«
»Ihr seid
wirklich von Euch überzeugt, oder?« Sie musste zugeben, dass ihr das gefiel.
»Ihr seid
ein guter Kaufmann, ich habe Euch beobachtet. Es wäre schade drum, Eure Fähigkeiten
in den Dienst einer Gestalt wie Vico Kunzelmann zu stellen.«
Aha, dachte
Jolanthe. Er ist also doch eifersüchtig. »Ich stelle meine Fähigkeiten nur in den
Dienst meines Vaters.«
»Der ein
wenig kränkelt, wie mir scheint.«
»Was soll
das heißen?«
»Nichts.
Jolanthe, macht die Augen auf. Sobald ein junger Kaufmann Eurem Vater im
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