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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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konnte nur noch eine helfen – und das
war Martha. Jemand musste sie holen und zwar so schnell wie möglich. Auf der Treppe
kam ihr Cornelius entgegen. Den Blick gesenkt, wollte er ihr Platz machen, um sie
vorbeizulassen. Es schien ihm unangenehm zu sein, ihr allein gegenüberzustehen. V ermutlich weil er sich auf Vicos Seite geschlagen hat bei dem Streit im
Handelshaus, dachte sie. Plötzlich hatte sie eine Idee, wie sie dieses schlechte
Gewissen für sich nutzen konnte. Er würde keinen Widerstand wagen, auch dann nicht,
wenn er ihre Forderung missbilligte.
    »Winald
geht es sehr schlecht. Leiht Euch ein Pferd und holt Martha von Werdenberg, schnell!«
    Cornelius
blickte nach oben zur geschlossenen Tür von Winalds Kammer, so als wolle er etwas
sagen, und schwieg dann doch. Schließlich nickte er. Jolanthe legte ihre Hand auf
seinen Arm, während sie in knappen Worten den Weg erklärte. Sie schloss mit: »Es
sieht ernst aus, ich kann mich hoffentlich auf Euch verlassen.«
    »Ich sollte
besser den Medikus holen, nicht das Kräuterweib.«
    »Ihr holt
Martha! Sagt ihr, das Bein ist schwarz verfärbt und stinkt gotterbärmlich. Sie wird
wissen, was zu tun ist. Ich verlasse mich auf Euch.«
    Offenbar
waren ihre Worte eindringlich genug gewesen, denn Cornelius drehte sich um und hastete
die Stufen wieder hinab. Als er verschwunden war, blieb Jolanthe im Flur stehen
und haderte mit der Angst, ob Martha überhaupt kommen würde. Und wenn sie kam, was
würde sie zu alldem sagen? Dass man sie zu spät geholt hatte und das, obwohl sie
rechtzeitig gewarnt hatte? Jolanthe biss sich auf die Unterlippe und starrte auf
den Steinboden, dessen mittlere Platten blankgescheuert waren von den vielen Schuhen,
die im Laufe der Zeit darüber gestrichen waren.
    »Ich sollte
Vertrauen in Martha haben. Sie wird mich nicht im Stich lassen«, sagte sie laut,
um sich selbst zu beruhigen. Dann faltete sie die Hände, um ein stummes Gebet zu
sprechen.
    Um einen
Gang zum Medikus vorzutäuschen und weil sie jetzt nicht auf Sieglinde treffen wollte,
nahm sich Jolanthe ihren Umhang aus der Truhe, legte ihn über die Schultern und
verließ das Haus. Sie ging die Straße entlang in Richtung der Donau und zählte die
Häuser, an denen sie vorbeikam. An einer Ecke hörte sie von Weitem zwei zankende
Frauenstimmen und machte kehrt, um ihnen nicht über den Weg zu laufen. Ziellos wanderte
sie umher, zählte mal Fenster einer Hausfront, mal Passanten, die ihr begegneten.
Als sie glaubte, nun sei genug Zeit verstrichen, ging sie zurück zum Kunschen Haus
und setzte sich auf die Stufen davor. Ihr war es gleich, ob die Nachbarn sie so
sahen und sich über sie wunderten. Sie stützte die Ellbogen auf die angezogenen
Knie und schaute einem Spatz zu, der auf dem Boden in einer Wasserpfütze badete.
Mit den Flügeln spritzte er das Wasser um sich, schüttelte sich, wiederholte die
Prozedur. Jolanthe schob sich den Handballen in den Mund, biss darauf, um die Tränen
zu verhindern. Sie schrak zusammen, als sie eine Stimme über sich hörte.
    »Es wird
alles gut, glaub mir.« Martha beugte sich zu ihr und drückte ihr kräftig die Schulter.
»Komm, steh auf und hilf uns.«
    Jolanthe
bemerkte eine dritte Gestalt. Der Mann stand neben Cornelius und führte eine große
lederne Tasche mit sich, deren Gewicht bewirkte, dass er sich unmerklich nach links
neigte. Er hatte einen ungepflegten Bart, ein rundes Gesicht und kräftige Oberarme.
    »Ich hab
den Wundarzt mitgebracht. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, das Bein muss
weg«, sagte Martha und schob sich an Jolanthe vorbei ins Haus.
    Oben in
Winalds Kammer erstickte Martha jeden Widerspruch im Keim, indem sie sagte: »Wenn
du überleben willst, musst du loslassen, sonst wird dich das Bein vergiften. Sieglinde,
besorg mir heißes, abgekochtes Wasser.«
    Der Wundarzt
breitete wortlos sein Werkzeug aus. Er öffnete ein Fläschchen und träufelte eine
Flüssigkeit auf ein Tuch, das er Martha hinhielt. Die nahm das Tuch und wickelte
es um ein kleines Holzstück. Als sie es Winald zeigte und erklärte, er solle es
in den Mund nehmen und fest darauf beißen, tat er es widerstandslos. Diese Bereitschaft
ängstigte Jolanthe am meisten. Ihr Vater gab sich sonst nicht so schnell geschlagen,
und wenn er etwas nicht wollte, konnte man es kaum gegen seinen Willen durchsetzen.
    Sieglinde
kam mit dem Wasser zurück, und Martha erklärte ihnen, dass sie Winald würden festhalten
müssen. Eine seinen Oberkörper, eine das gesunde

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